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Liebe Leser,
gründlich durcheinander gebracht wurde in den vergangenen Monaten und Wochen, was unerschütterlich erschien. Sicherheiten zerbrachen, auf die Menschen ihre Existenz gegründet hatten. Die Bilder von der zerstörten Kathedrale in Christchurch, Neuseeland, wurden von den fruchtbaren Bildern des Tsunamis, der die nordjapanische Küste verwüstete, weggefegt. Das Leid der Menschen, die alles verloren haben, erscheinen in Deutschland klein angesichts der Sorgen um die eigenen Atomkraftwerke und der Frage, was uns passieren könnte, wenn… Zeitgleich erschütterte die arabische Welt ein Politbeben, dessen Ende noch nicht in Sicht ist. Machtgefüge, die unsere Sicht des Nahen Ostens maßgeblich geprägt haben, wanken.
Gegen Ende des 6. Jahrhunderts vor Christus kehrte das jüdische Volk aus dem babylonischen Exil in das Land Israel zurück. Die Menschen waren verständlicherweise um den Aufbau ihrer Existenz besorgt, suchten sich eine gesicherte Zukunft aufzubauen. In diese Situation hinein mahnt der Prophet Haggai, dass Gott alles erschüttern wird, „Himmel und Erde, das Meer und das Trockene“ (Haggai 2,6). Throne sollen umgestürzt, Könige entmachtet und Armeen zerschlagen werden (Vers 21). Wenig mehr als ein halbes Jahrtausend später wird der Tempel, der zur Zeit des Haggai gebaut worden war, von den Römern zerstört. Der Schreiber des Hebräerbriefes greift die Worte des Haggai auf und unterstreicht deren Aktualität.
Alles, wirklich alles soll erschüttert werden. Davon haben wir in den vergangenen Wochen einen Vorgeschmack bekommen. Politische Systeme fallen, materielle Sicherheiten zerbröseln. Soziale Absicherungen und selbst Beziehungsnetze lösen sich auf. Das haben nicht nur Japaner gemerkt, die plötzlich inmitten einer Trümmerwüste mutterseelenallein dastanden. Das war auch die Erfahrung von arabischen Führungspersönlichkeiten, die sich unversehens von allen westlichen Bündnispartnern verlassen sahen – so, als seien sie völlig unvermittelt, quasi über Nacht und ohne jede Vorwarnung zu Verbrechern geworden.
Auch unser Wertesystem wankt. Wer das bislang noch nicht gewusst haben will, muss jetzt nur die Augen öffnen, um festzustellen: Die Politik wird nicht von ethischen Maßstäben bestimmt, sondern von knallharten Interessen, deren einzige Geradlinigkeit darin besteht, dass sie ihren Mantel konsequent nach dem Wind hängen. Auch christliche Kreise bleiben vor diesem Phänomen nicht verschont. Das zeigt die Debatte – oder auch der Mangel an derselben – um die Beziehung zwischen den Geschlechtern, um Ehe und Familie. Der Angriff auf diesen intimsten Bereich offenbart, dass unsere theologischen und geistlichen Grundlagen wackeln.
Wenn es keinen Teppich gibt, der uns nicht unter den Füßen weggezogen wird, was bleibt dann? Der alttestamentliche Prophet Haggai und der neutestamentliche Hebräerbriefschreiber sind sich einig: Was bleibt ist die „Schechinah“, die „Herrlichkeitsgegenwart“ des lebendigen Gottes, der als Fels in der Brandung die einzig sichere Grundlage bietet.
Mit einem herzlichen Schalom grüßt Sie aus Jerusalem,
Ihr Johannes Gerloff