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Zum Jahreswechsel 2022/2023 erreichte mich folgende Frage: „Letztes war ich mit der Aussage eines Arbeitskollegen konfrontiert. Es ging in die Richtung, dass Deutschland schon genug zur Wiedergutmachung an Israel gezahlt hätte. Ich habe dazu zu Bedenken gegeben, dass es immer noch Holocaustüberlebende gibt, die in Armut leben. Beide Aussagen wurden nicht mit Zahlen belegt. Natürlich ist es beliebig schwierig einen Wert ungleich Unendlich für sechs Millionen Menschen festzulegen, die ganzen Vermögenswerte müsste man zusätzlich betrachten und den Ausgleich für Zwangsarbeit. Kennst Du Zahlen zu dem Thema? Vermutlich hat sich schonmal jemand die Mühe gemacht, die Gelder aus Deutschland aufzusummieren?“
Zahlen sind trügerisch, vor allem auch deshalb, weil sie den Schein der Objektivität tragen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich bin der Frage der mittlerweile sprichwörtlichen „sechs Millionen“ jüdischen Holocaustopfer einmal nachgegangen. Dabei habe ich festgestellt, dass es sich dabei um eine ziemlich „Deutschen freundliche“ Schätzung handelt. Eine realistische Zahl der durch den deutschen Nationalsozialismus verschuldeten jüdischen Todesopfer liegt wahrscheinlich eher bei sieben Millionen.
In den 1950er Jahren wurde zwischen Konrad Adenauer und David Ben Gurion eine symbolische (!) Wiedergutmachung für die materiellen (!) Werte beschlossen, die dem jüdischen Volk während des Zweiten Weltkriegs geraubt wurden. Diese Wiedergutmachung wurde im Jahr 1965 abgeschlossen.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die deutsche Wiedergutmachung an den Staat Israel in den 1950er und 1960er Jahren nicht etwa finanziell, sondern vor allem durch Güter geleistet wurden, zum Beispiel Eisenbahnwaggons, die in Deutschland hergestellt, wodurch wiederum Deutsche beschäftigt wurden, die ihre Einkommenssteuer an den deutschen Fiskus entrichteten. Die Folgekosten dieser Leistungen, etwa Ersatzteile für die Waggons, waren nicht inbegriffen. Die musste Israel später in Deutschland einkaufen. Wenn man diese wirtschaftlichen Mechanismen durchdenkt, waren die Wiedergutmachungen an Israel möglicherweise einer der entscheidenden Motoren für den Wirtschaftsaufschwung der jungen Bundesrepublik Deutschland.
Die DDR sah sich durch ihre Reparationszahlungen an die Sowjetunion, die Mitte der 1950er Jahre offiziell abgeschlossen waren, aus der Verantwortung entlassen. Das hat die Denkweise vieler Menschen aus Mitteldeutschland geprägt.
Bei Rentenzahlungen ist zu bedenken, dass diese gleichermaßen von Opfern wie Tätern beansprucht werden konnten und können – wobei es für die Täterseite wahrscheinlich rein bürokratisch und auch emotional viel einfacher war, entsprechende Anträge zu stellen. Und wer keinen Antrag stellt, bekommt auch nichts.
Eine Google-Suche („Wiedergutmachung Deutschland Israel“) ergibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, diese Frage weiter zu verfolgen. Die deutsche Botschaft in Tel Aviv gibt auf ihrer Webseite einen „Überblick – Entschädigung für nationalsozialistisches Unrecht“ und „Wikipedia. Die freie Enzyklopädie“ bietet unter dem Eintrag „Deutsche Wiedergutmachungspolitik“ einen langen Eintrag. Interessant ist es, in diesem Fall auch die englische Version des Artikels „Wiedergutmachung“ zu betrachten, die gleich zu Beginn betont, dass Deutschland im Laufe der Jahre 100 Milliarden DM bezahlt hat.