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Die Feier des 77. Unabhängigkeitstages des Staates Israel sollte nach dem hebräischen Kalender am 30 April 2025 beginnen und am 1. Mai fortgesetzt werden. Das Wetter aber machte dem einen riesigen und schrecklichen Strich durch die Rechnung.

Trockene, heiße Winde, die für diese wechselhafte Jahrezeit typisch sind, erreichten in Jerusalem eine Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern. Brandstifter hatten ihren Hass auf den jüdischen Staat und seine Bevölkerung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie zwischen Jerusalem, Bet Schemesch, Latrun und Modiin einen riesigen Waldbrand entfachten, der ohne Wetterumschwung nicht unter Kontrolle zu bringen war. Viele Veranstaltungen zum Unabhängigkeitstag, darunter auch die traditionelle Zeremonie auf dem Herzlberg, mussten abgesagt werden.

Trotzdem konnte in der Stadt Binjamina ein Konzert zum 20. Todestag des israelischen Dichters, Übersetzers, Fernseh- und Radio-Moderators Ehud Manor stattfinden. In einem seiner bekanntesten Liedern heißt es: „Ich habe kein anderes Land, auch wenn mir der Boden unter den Füßen brennt.“ Dieses Lied scheint genau für diese Situation geschrieben, in der sich Israel nicht nur dem größten Waldbrand seiner Geschichte gegenüber sah, sondern zudem auch noch einem langen Krieg an mehreren Fronten.

Dieses Lied erreichte im Wettbewerb um das beliebteste Lied in 60 Jahren Staat Israel das Finale. Es ist das gemeinsame Bekenntnis vieler Israelis ganz unterschiedlicher politischer Meinung. Weiter heißt es: „Nur ein hebräisches Wort dringt in meine Venen, in meine Seele ein.“

Maor liebte die hebräische Sprache sehr. Er war ein Meister, wenn es darum ging Liedertexte oder ganze Theaterstücke ins Hebräische zu übersetzen. Brasilianische, französische und amerikanische Lieder übertrug er ins Hebräische, und ließ sich von Liedern der Sinti und Roma und aus der arabischen Welt inspirieren.

Ehud Manor ist selbst in Israel geboren, konnte aber sehr treffend und mit Humor die Empfindungen der Neueinwanderer beschreiben. Ein Beispiel dafür ist das Lied „Ich träume in Spanisch“: „Ich stehe morgens auf Hebräisch auf und trinke auf Hebräisch Kaffee. Ich zahle teuer auf Hebräisch und lebe in der Sprache von König David … aber in der Nacht, in der Nacht da träume ich noch auf Spanisch.“

Im „israelischen Lied“ – „Schir Israeli“ – greift Manor die Frage der israelischen Identität auf: „Eine griechische Melodie und ein polnischer Akzent. Das Trällern der Jemeniten und die rumänische Geige. Mein Wüstental und dein Fluss begegnen einander am israelischen Strand: mit allen Erinnerungen, den guten und den schlechten… Wer bin ich eigentlich, mein Gott?“ Und dann wird der Psalm 133 zitiert: „Wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“ – mit einer modernen rhythmischen Melodie.

Vor dem Unanghängigkeitstag kommt in Israel immer der Gedenktag an die Gefallenen in Israels Kriegen und die Terroropfer. Eine Familie, die im Krieg oder durch Terror einen Angehörigen verloren hat, heißt in Israel „Mischpachat Schechol“ – eine trauernder oder hinterbliebene Familie. Manchmal fühlt es sich so an, als wäre ganz Israel eine „Mischpachat Schechol.“

So auch Ehud Manors Familie: Sein jüngster Bruder Jehuda ist im Alter von 19 Jahren im Zermürbungskrieg gegen Ägypten gefallen. Dieser Schicksalsschlag hat ihn dazu bewegt, das herzzerreißende Lied „Achi HaZair Jehuda“ – „mein kleiner Bruder Juda“  – zu schreiben.

Darin sagt Ehud: „Mutter wartet, ob noch ein Brief kommt…“ – und verspricht dann seinen Sohn nach dem Bruder zu benennen. Dieses Versprechen hat er gewissenhaft eingehalten. Später erzählte er, dass er die tiefen Texte und die bekanntesten Lieder eigentlich seinem Bruder zu danken habe. Dafür bekam er im Jahre 1998 den Israel Preis.

Ein besonderes Talent Ehud Manors lag darin, jedem Sänger einen maßgeschneiderten Text zu verpassen. In jungen Jahren war er ein großer Bewunderer der orientalisch-jüdischen Sängerin Schoschana Damari und ihrer tiefen Stimme. Im Alter von zwei Jahren war Damari mit ihren Eltern aus dem Jemen eingewandert. Für sie und den Musiker und Sänger Boas Scharabi schrieb er „Laschir Itach“ – „Mit Dir Singen … ist wie ein Traum!“ Der Dialog der beiden Stimmen mit dem unverwechselbar orientalischen Akzent ist unvergesslich.

Manor schrieb viele romantische Texte. Der vielleicht bekannteste ist „Brit Olam“ – „Ewiger Bund“ – ein Liebeslied über die Ehe, das er für seine Frau Ofra geschrieben hat. Sie konnte das Konzert in Binjamina am 1. Mai 2025 mit ihren Kindern und Enkelkindern miterleben.

Manche seiner Lieder wurden weit über Israels Grenzen hinaus bekannt, so etwa „BaSchanah Haba’ah“. Manor verwendete den traditionellen Gruß der Juden, die aus ihrer Heimat vertriebenen worden waren, „Nächstes Jahr in Jerusalem!“, und übertrug ihn auf die heutige israelische Situation: „Nächstes Jahr werden wir auf dem Balkon sitzen und die vorbeiziehenden Vögel und spielenden Kinder beobachten … Du wirst noch sehen, wie gut es nächstes Jahr wird.“

Oder „Abanibi oboebe“, das in der Eurovision 1978 überraschend den ersten Preis gewann. Darin hat der Dichter Ausdrücke einer Geheimsprache der Kinder verwendet.

Das Lied „Halevai“ landete bei einer anderen Eurovision auf dem letzten Platz, wurde dafür aber in Israel ein Hit. „Halevai“ heißt „Wenn doch nur…“ und drückt die allgegenwärtige israelische Sehnsucht aus: „Wenn es doch für diese Welt nur eine Wiederherstellung gäbe. Wenn doch nur die Tore des Paradieses wieder aufgehen würden. Wenn doch nur aufhören würde, dass ein Volk gegen das andere die Waffen erhebt, wenn doch jeder wieder unter seinem Feigenbaum sitzen könnte…“

Als Ehud Manor gebeten wurde, ein optimistisches zionistisches Lied für den Zionistischen Kongress 2003 in Jerusalem zu schreiben, reagierte er sofort mit einem „zionistischen optimistischen Lied“: „Und wenn du nicht mehr optimistisch bist, ist das ein Zeichen dafür, dass du nicht mehr jung bist. Man muss dich ermutigen: In der Tiefe der Nacht entdeckst du den Morgen. In der Tiefe der Trauer entdeckst du die Freude. In der Tiefe des Zorns entdeckst du die Vergebung.“

Ehud wurde im Jahre 1941 als zweiter Sohn des Ehepaars Rachel und Israel Wiener geboren. Jaron London bewegte ihn dazu, seinen Nachnamen in Manor zu ändern, um bei musikalischen Veranstaltungen im israelischen Radio mitwirken zu können. So hatte das damals dem zionistischen Geist entsprochen. Seine Eltern waren aus Russland eingewandert. In dem Lied „Jelid HaAretz“ – „Der im Lande Geborene“ – dankt er seinen Eltern für diese Entscheidung. Heute steht dieser Text auf seinem Grabstein in Binjamina.

Auf geniale Weise vermochte er das israelische Lebensgefühl auszudrücken. Unbestreitbar hat er viel zur Entwicklung des israelischen Lebensgefühls beigetragen, zur „Israeliut“, wie man in Israel sagt. In Zusammenarbeit mit israelischen Musikern wie Nurit Fuchs oder Matti Caspi entstanden Lieder, die zu Klassikern der israelischen Popmusik wurden. Einzigartig verband er die säkulare „Israeliut“ mit traditionell jüdischen und biblischen Gedanken. Das spricht bis heute Viele an.

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By Published On: Mai 9, 20255,6 min read
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