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„Der Friedensprozess widerspricht grundlegend unserer Ideologie und Religion!“ Der erklärt säkulare Muslim Rashid bemüht sich, mir zu erläutern, warum es auf palästinensischer Seite so viel Widerstand gegen die diplomatischen Anstrengungen zu einer aus westlicher Sicht vernünftigen Lösung des Nahostkonflikts gibt.

Im Mai 2001 sprachen sich in einer Umfrage 76,1 Prozent der befragten Palästinenser für Selbstmordbombenanschläge gegen Israel aus. Das liegt nicht nur am mehr als 30 Jahre israelischer Besatzung und den damit verbundenen Leiden. Auch die Heimatlosigkeit von 3,5 Millionen Palästinensern begründet nicht, dass sich Teenager bereitwillig zu lebendigen Bomben ausbilden lassen, Eltern stolz darauf sind, wenn ihre Sprösslinge freiwillig in den Tod gehen und geistliche Führer das Ganze unverhohlen absegnen.

Der Hauptgrund für den erbitterten Widerstand der islamischen Welt gegen den Judenstaat ist religiös begründet. Rashid, der Versicherungsmakler aus el-Azariya erklärt stellvertretend für Millionen von Muslimen: „Nach islamischer Lehre dürfen wir auch nicht das kleinste Stückchen Land Palästina aufgeben.“

Die Islamische Lehre teilt die Welt in zwei Machtbereiche. Das „Haus des Islam“ (Dar al-Islam), das auch „Haus des Friedens“ (Dar e-Salaam) genannt wird, ist das Territorium, das unter der „Shari’a“, islamischem Recht, steht. Das sind alle Länder, in denen der Islam Staatsreligion ist. Der Rest der Welt wird als „Haus des Krieges“ (Dar al-Charb) bezeichnet. Das sind alle (noch) nicht-islamischen Länder.

Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Islam und Christentum wird hier deutlich. Aus biblischer Sicht beginnt das Reich Gottes im Herzen einzelner Menschen und dehnt sich von dort auf eine Gemeinschaft von Gläubigen aus. Entscheidend ist, was im Leben einzelner Menschen geschieht, nicht Landbesitz oder geltendes Recht. Im Islam dagegen ist das Rechtssystem, das über ein bestimmtes Territorium herrscht, entscheidend. So können auch Staaten zum „Haus des Islam“ gerechnet werden, die große nicht-muslimische Bevölkerungsteile haben.

Das Mittel zur Islamisierung der Welt heißt im Arabischen „Jihad“, „Heiliger Krieg“. „Jihad“ ist alles, was der Ausdehnung des „Hauses des Islam“ dient. Das sind nicht nur herkömmliche kriegerische Mittel, der Terror der radikalen Islamisten, sondern zuallererst der Aufruf an die Ungläubigen zur freiwilligen Hingabe (Sure 2,256; 3,20; 8,7-8)[1].

Es gehört zum „Jihad“, wenn in einem islamischen Zentrum in Deutschland die Weisung ausgegeben wird, deutsche Frauen zu heiraten. „Jihad“ ist, wenn Muslime den Koran in Hotels auslegen oder im Westen Moscheen bauen. Alles, was der Ausbreitung des Islam dient, ist „Heiliger Krieg“, auch Methoden, die wir im christlichen Bereich unter „Mission“ oder „Evangelisation“ zusammenfassen würden.

Die „Leute des Buches“, wie Juden und Christen im Koran genannt werden, haben als „Dhimmi“, als Menschen zweiter Klasse, nach der „Shari’a“ ein (vorläufiges) Existenzrecht. Entscheidend ist nicht, was die Menschen im „Haus des Islam“ denken, glauben oder fühlen. Entscheidend ist, welches Rechtssystem ihr Leben regiert. Deshalb ist es möglich, dass Muslime, Juden und Christen Jahrhunderte lang friedlich nebeneinander leben konnten – unter islamischer Herrschaft.

Dabei haben Juden allerdings eine niedrigere Stellung als Christen. Nach Aussage des Koran stehen Juden, im Gegensatz zu den Christen, auf einer Stufe mit Heiden und zeigen sich „den Gläubigen gegenüber am meisten feindlich“ (Sure 5,82). Deshalb ist Allahs erklärte Absicht für die Juden: „Im Diesseits wird ihnen Schande zuteil, und im Jenseits haben sie ein gewaltige Strafe zu erwarten“ (Sure 5,41). Juden verdienen „nichts als Schande im diesseitigen Leben. Und am Tag der Auferstehung werden sie der schwersten Strafe zugewiesen werden“ (Sure 2,85).

Das „Haus des Islam“ dehnt sich nach der Lehre des Koran immer weiter aus. Das liegt nicht an Menschen, sondern weil Allah durch seine Gläubigen kämpft (vergleiche dazu Sure 8,10.17). Weltweit wird immer mehr Land der Shari’a unterworfen. Daran lässt sich das Wesen Allahs, die Allmacht des Gottes des Islam, erkennen.

Allah ist allmächtig. Allah ist der einzig wahre Gott. Mohammed behauptet: „Der Islam ist immer überlegen, es gibt nichts Höheres als ihn.“ Dieser Anspruch zeigt sich im Gottesdienstruf, wo der Ruf des Muezzin lauter ist als das Läuten der Kirchenglocken, und auch in der Architektur, wo neben einer Kirche die Moschee mit dem höheren Minarett steht, wie beispielsweise neben der Geburtskirche in Bethlehem oder neben der Grabeskirche in Jerusalem. Der Koran sagt (Sure 5,56): „Die auf Gottes Seite stehen, werden Sieger sein“. Eines Tages wird, nach der Lehre des Islam, die ganze Welt „Dar al-Islam“, „Haus des Islam“, sein. Das Leben aller Menschen wird dann von der „Shari’a“, islamischem Recht, beherrscht, auch wenn nicht alle Menschen Muslime sein werden.

Das Reich Allahs ist identisch mit der politischen Ausdehnung des Islam und der Gültigkeit der Shari’a. Gebiet, das einmal islamisch war, kann nach islamischer Lehre nie wider de-islamisiert werden. So ist in der Theologie dieser Muslime zum Beispiel auch Spanien oder der Balkan „waqf“, islamisches Territorium. Und die Armeen Allahs sind dazu verpflichtet, islamisches Gebiet, das einmal verloren gegangen ist, wieder zu erobern.

Der Orientalist Moshe Sharon, Professor für islamische Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, kommt zu dem Schluss, dass mit der Errichtung des Staates Israel im Jahre 1948 sämtliche islamischen Gesetze in Bezug auf Territorium, heilige Stätten und die Stellung der Juden gebrochen wurden. Schlimm ist dabei für Muslime nicht nur, dass die heiligen Stätten des Islam in Jerusalem in jüdische Hände gefallen sind, sondern vor allem auch, dass Juden in Israel über Muslime herrschen.

Deshalb forderte der Großmufti von Jerusalem Scheikh Ekrima Sa’id al-Sabri am 4. Februar 2001 die Muslime Israels auf, nicht zu wählen. Zwei Tage bevor Israel an die Urnen ging, um einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, ermahnte das geistliche Oberhaupt aller Muslime in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten, die jüdische Herrschaft über islamisches Territorium nicht anzuerkennen.

Gibt es dann gar keine Aussicht auf einen (auch nur vorläufigen) Frieden im Heiligen Land?

Wahre Freundschaft zwischen Muslimen und Ungläubigen ist grundsätzlich ausgeschlossen (Sure 3,118; 4,89-90.138-139; 4,144-145). Der Prophet Mohammed ermahnt seine Nachfolger: „Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden! Sie sind untereinander Freunde, aber nicht mit euch. Wenn einer von euch sich ihnen anschließt, gehört er zu ihnen und nicht mehr zu der Gemeinschaft der Gläubigen“ (Sure 5,51). Das heißt im Klartext: Ein Muslim, der echte Freundschaft mit Ungläubigen eingeht, echten Frieden schließt, exkommuniziert sich dadurch automatisch selbst aus der Gemeinschaft der wahren Muslime.

Und doch bietet die islamische Theologie einen Ausweg. Wenn der nicht-muslimische Feind zu stark ist und nicht überwunden werden kann, ist ein Waffenstillstand möglich (vergleiche Sure 3,28; 4,101).

Der Präzedenzfall dafür liegt in Mohammeds eigener Biographie. Im Jahre 628 wollte er als Pilger in seine Heimatstadt Mekka zurückkehren. Doch die Stadt wurde von den Stämmen von Kureish beherrscht, die sich seiner Herrschaft nicht unterwerfen wollten. Weil die Leute von Kureish zu stark waren und von Mohammed nicht unterworfen werden konnten, schloss er einen Waffenstillstand mit ihnen. Die Kureish fühlten sich sicher und rüsteten ab. Doch im Jahre 630 marschierte Mohammed mit 10.000 Soldaten in Mekka ein und richtete ein furchtbares Blutbad an. Beides, das Massaker und der Vertragsbruch sind nach islamischem Recht gerechtfertigt, weil sie der Ehre Allahs dienten.

Jasser Arafat hat mehrfach die Verträge von Oslo vor seinen muslimischen Mitgläubigen als „Verträge von Kureish“ gerechtfertigt.

Ein starker Gegner ist nötig, zu solch einem Scheinfrieden. Ein schwacher Feind hingegen zwingt jeden Muslim aufgrund der Lehre des Koran, den Kampf wieder aufzunehmen.

„Aber wir sind zu schwach“, meinte denn auch der Versicherungsmakler aus el-Azariya resigniert. Rashid glaubt nicht, dass die Palästinenser um ein Arrangement mit dem Judenstaat herumkommen werden. Aber deshalb werden islamische Fundamentalisten auch immer wieder den Kampf gegen Israel aufnehmen müssen, sobald sie den jüdischen Staat überwindbar glauben.

Die jordanische Zeitung El-Rai zitierte am 12. November 1992 den als gemäßigt geltenden Arafat-Rivalen Faisal el-Husseini, der am 31. Mai 2001 in Kuwait einer Herzattacke erlag: „Wir müssen anerkennen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Slogan ‚vom Meer bis zum Jordan’ nicht durchsetzbar ist… Früher oder später aber werden wir die israelische Gesellschaft zwingen, mit der größeren, arabischen Gesellschaft zu kooperieren, was letztendlich zur schrittweisen Auflösung der ‚zionistischen Größe’ führen wird.“

Palästinenserchef Jasser Arafat hat sich bislang beständig geweigert, ein „Ende des Konflikts“ auch nur als Möglichkeit zu nennen.

Vielleicht ist es deshalb im Juli 2000 in Camp David zu keinem Friedensschluss gekommen. US-Präsident Clinton hatte damals erreicht, dass Israels Premier Barak den Palästinensern 97 Prozent des biblischen Judäa und Samaria, einschließlich eines Teils Jerusalems und die Oberhoheit über die heiligste Stätte des Judentums, den Tempelberg, angeboten hatte. Der Vertragstext enthielt aber auch die Klausel vom „Ende des Konflikts“.

„Wer vom Ende des Nahostkonflikts redet, redet Unsinn“, meint Moshe Sharon, Berater des ehemaligen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträgers Menachem Begin. „Dieser Konflikt ist ein Krieg Allahs mit seinen Feinden.“ Auch wenn Muslime echten Frieden wollten, dürften sie den nicht schließen. Denn wenn der Judenstaat Israel wirklich Zukunft hätte, wäre das aus islamischer Sicht eine Kapitulation des allmächtig geglaubten Allah.

Gläubigen Muslimen geht es bei der Existenz eines jüdischen Staates auf muslimischem Territorium um die Frage, wer ist der wahre Gott. Ist es der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ oder ist es der „Gott Abrahams, Ismaels und Esaus“? Solange auch nur das kleinste Fleckchen Erde im „Haus des Islam“ von einem jüdischen Staat besetzt wird, ist seine bloße Existenz strenggenommen eine Bankrotterklärung Allahs.


[1] Alle Koran-Zitate sind aus der Ausgabe von Rudi Paret, Der Koran (Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Verlag W.Kohlhammer, 3. Auflage1983) entnommen.

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By Published On: Juni 8, 20018 min read

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