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„Dahers Weinberg darf nicht enteignet werden!“ Unter diesem Slogan leitet die Familie Nassar aus Bethlehem im Januar 2003 mit einer Öffentlichkeitskampagne in christlichen Kreisen eine neue Phase im Kampf um ein Grundstück ein, das seit mehr als einem Jahrzehnt umstritten ist.
Anfang der 20er Jahre war Daher Nassar aus Ein Anub im Libanon nach Palästina eingewandert. In den Bergen Judäas kauft er südöstlich des arabischen Dorfes Nachalin zwischen Bethlehem und Hebron ein Stück Land für sich, seine Frau und seine beiden Söhne Bishara und Nayef.
Etwa zur gleichen Zeit kommen orthodoxe Juden aus Osteuropa, um sich im verheißenen Land niederzulassen. Nur wenige hundert Meter von Dahers Grundstück entfernt, bemühen sie sich, auf dem Boden eines ehemaligen deutschen Klosters eine Siedlung aufzubauen. Doch sie sind dem rauhen Klima – im Winter fällt hier regelmäßig Schnee – und dem steinigen Boden nicht gewachsen und müssen ihr Experiment abbrechen.
1927 gründet eine andere Gruppe jüdischer Siedler die Siedlung Kfar Etzion. Als zwei Jahre später landesweit Unruhen ausbrechen, in deren Rahmen die 3.000 Jahre alte jüdische Gemeinde in Hebron vollständig ausgerottet wird, lassen sie sich vom Mukhtar (Bürgermeister) des benachbarten arabischen Dorfes warnen und fliehen. Der arabische Mob kann nur noch leerstehende Häuser verwüsten.
1936 kehren die Juden zurück, kaufen erneut Land, um nur drei Jahre später wieder vertrieben zu werden. „Motor“ dieser Unruhen war der Großmufti von Jerusalem, Hadj Amin el-Husseini, ein Bewunderer und Freund Adolf Hitlers.
Ein weiterer Versuch des Wiederaufbaus von mittlerweile vier jüdischen Dörfern im „Gush Etzion“ (Siedlungsblock von Etzion) endet just an dem Abend, an dem der Staat Israel im Mai 1948 ausgerufen wird. Dutzende jüdische Siedler werden von den arabischen Freischärlern abgeschlachtet. Viele der „Kinder von Kfar Etzion“ bleiben als Waisen zurück.
Im Juni 1967 fällt das Gebiet des Gush Etzion mit dem Sechstagekrieg wieder in israelische Hände. Die „Kinder von Kfar Etzion“ kehren zurück. In den folgenden drei Jahrzehnten entwickeln sich um das palästinensische Nachalin herum die jüdischen Siedlungen Bat Ain, Kfar Etzion, Alon Shvut, Elazar, Rosh Zurim, Neve Daniel und Beitar Illit zu blühenden Dörfern.
Auf Sichtweite wohnt Nayef Nassar bis 1987 in der elterlichen Wohnhöhle auf dem Bergrücken am Westhang des judäischen Berglandes, bearbeitet die Weinstöcke und Ölbäume, Granatäpfel, Mandel- und Feigenbäume, die seine Eltern gepflanzt haben. Der Blick von dem 950 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Grundstück auf die israelische Küstenebene und das Mittelmeer ist atemberaubend.
Briten, Jordanier, Israelis und auch die Palästinensische Autonomiebehörde haben die Gültigkeit des osmanischen Rechts bei Landfragen beibehalten. Demnach gehört alles Land dem Sultan, ist Staatsland. Die Bewohner können lediglich Nutzungsrechte erwerben, entweder indem sie drei Jahre lang ein Stück bearbeiten, oder auch durch Kauf oder Vererbung. Wird ein Stück Land zehn Jahre lang nicht bearbeitet, fällt das Nutzungsrecht an den Staat zurück.
Im November 1991 erfahren die Enkel Daher Nassars, daß Israel das Grundstück ihres Großvaters als Staatsland beansprucht. Sie erheben Einspruch vor Gericht. Damit beginnt der Streit um „Dahers Weinberg“, der sich mittlerweile über ein Jahrzehnt hinzieht, mit allen Mitteln geführt wird und ein gutes Beispiel für den Streit um das Gelobte Land in den besetzten Gebieten, dem biblischen Judäa und Samaria, darstellt.
Das Besitzrecht der Familie Nassar über ungefähr die Hälfte des von ihnen beanspruchten Gebietes ist mittlerweile von allen Seiten anerkannt und gerichtlich bestätigt. Nicht nur Besitzurkunden aus den Jahren 1924 und 1925 auf den Namen „Bishara bin Daher Nassar“, sondern auch alte Bäume bestätigen den Anspruch.
Aber etwa 20 Hektar des umstrittenen Landes lagen bis vor wenigen Jahren offensichtlich brach. Und die Urkunden bestätigen das Besitzrecht Bishara Nassars nur für vier Neuntel des gesamten Landes. Deshalb sieht sich der Landbeauftragte des Gush Etzion, Hananja Nachliel, berechtigt, das Land vor dem aus seiner Sicht unberechtigten Zugriff der Palästinenser zu schützen.
Durch eine Straße will er den Zugang zu dem Gebiet, das Nachliel zur Gemarkung Neve Daniel rechnet, sichern. Indem sie sich den Planierraupen in den Weg stellen, verhindern die Brüder George, Daoud und Tony Nassar mit Unterstützung pro-palästinensischer Aktivisten aus Israel und dem Ausland den Weiterbau des Feldweges.
Gleichzeitig machen sie aber ihren Besitzanspruch dadurch geltend, daß sie den umstrittenen Boden pflügen und neue Olivenbäume pflanzen. Hananja Nachliel dokumentiert alle derartigen Aktivitäten, um sie vor Gericht geltend machen zu können. Andere jüdische Siedler reißen die Olivenbäume wieder aus.
Die Palästinenser fühlen sich durch die teilweise schwer bewaffneten jüdischen Siedler bedroht. Den Israelis auf der anderen Seite sind die Araber, aus deren Reihen schon so mancher Selbstmordattentäter gekommen ist, unheimlich.
Jetzt soll das Oberste Gericht Israels in der letzten Aprilwoche 2003 eine endgültige Entscheidung treffen. Mißtrauisch sieht die Familie Nassar diesem Entscheid entgegen. Mißmutig brummt ein älterer Siedler im Blick auf die mehrheitlich links stehenden obersten Richter Israels: „Die lieben uns so sehr wie sie!“ Es bleibt spannend.
Während auf persönlicher Ebene im Kernland Israels ein heißer Kampf ausgetragen wird, hat sich das israelische Volk mehrheitlich in den vergangenen Jahrzehnten dafür ausgesprochen, „Land für Frieden“ abgeben zu wollen.
Als sich am 29. November 1947 die Vollversammlung der Vereinten Nationen für eine Teilung Rest-Palästinas aussprach, stimmte das jüdische Volk um des Friedens willen zu. Die Araber lehnten ab. Nicht nur der Gush Etzion, auch israelische Städte wie Naharija im Norden oder Beer Scheva im Süden hätten nach diesem Teilungsplan von den Juden geräumt werden müssen.
Gleich nach der Eroberung Judäas, Samarias und des Gazastreifens im Juni 1967 bot Israel seinen Nachbarn wieder „Land für Frieden“. Aber die Arabische Liga schlug dieses Angebot mit seinen „drei kategorischen Nein“ im November desselben Jahres aus: „Nein zu einer Anerkennung des jüdischen Staates. Nein zu Verhandlungen. Nein zu einem Friedensschluß.“
Daß Israel zu schmerzhaften Kompromissen bereit ist, betont nicht nur der israelische Premierminister Ariel Sharon, sondern hat er selbst bewiesen, als er Anfang der 80er Jahre die Räumung der jüdischen Siedlung Yamit im Sinai befehligte. Die mit dem Friedensschluß mit Ägypten verbundenen Szenen, in denen Juden gegen Juden kämpfen und jüdische Häuser von der israelischen Armee dem Erdboden gleichgemacht werden, sind bis heute ein Trauma der israelischen Gesellschaft.
Atemlos verfolgte Israel dann auch, wie sein Regierungschef Ehud Barak im Juli 2000 im amerikanischen Camp David den Palästinensern ein Angebot machte, für das er – so sein Außenminister Shimon Peres – „kein politisches Mandat hatte“. Über 90 Prozent der Gebiete Judäas, Samarias und des Gazastreifens wären zu einem Palästinenserstaat geworden. Aber Yassir Arafat lehnte dieses Angebot ab.
Allen Unkenrufen zum Trotz, „Sharon & Co.“ träumten von einem „Großisrael“ „vom Nil bis an den Euphrat“, bleibt festzuhalten: Dem heutigen Staat Israel ist seine Ruhe bei weitem wichtiger als der Besitz des ihm von Gott verheißenen Landes. Die Geschichte der vergangenen fünfzig Jahre hat mehrfach bewiesen: Abgesehen von einigen „toratreuen Starrköpfen“ will Israel das Land gar nicht!
Wer an die Aussagen der Heiligen Schrift glaubt und mit dem Handeln des lebendigen Gottes rechnet, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Gott es bisher nicht zugelassen hat, daß Israel sein Land an die Araber abgeben konnte. Und um das zu erreichen bediente sich der Herr der Geschichte nicht etwa der israelischen Armee oder sturer orthodoxer Juden, sondern des Hasses, der Angriffslust und der uneinsichtigen Verbohrtheit arabischer Führer.