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Gebannt verfolgen die internationalen Medien jedes Wort der neuen Regierung Netanjahu und stellen fest: Der vermeidet es, die „Zweistaatenlösung“ auszusprechen. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschassiera summierte Benjamin Netanjahus Besuch Mitte Mai in Washington: „US-Forderung nach Zweistaatenlösung traf auf taube Ohren bei den Israelis.“ Dabei glaubt selbst Papst Benedikt XVI., dass das Heil für das Heilige Land und seine Völker darin liegt, das Land Israel in zwei Staaten aufzuteilen.
Nach vier Stunden Gespräch unter vier Augen mit Netanjahu wiederholte Präsident Barack Obama in einem offiziellen Statement am 18. Mai im Weißen Haus, was seit Herbst 2002 als Zauberformel für den Nahostkonflikt gilt: Die Zweistaatenlösung, in der Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben. Laut US-Präsident liege dieses politische Ziel nicht nur im Interesse der Palästinenser, sondern auch der Israelis, der Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft. Netanjahu habe jetzt eine historische Gelegenheit, in seiner Amtszeit diese Sache ernsthaft voranzutreiben.
Netanjahu reagierte positiv, wie überhaupt die Begegnung zwischen beiden erstaunlich harmonisch verlief. „Ich möchte Friedensverhandlungen mit den Palästinensern sofort beginnen“, erklärte der israelische Regierungschef, und „möchte klarstellen, dass wir die Palästinenser nicht regieren wollen.“ So fasste Netanjahu zusammen, was heute weitgehend Konsens ist in Israel. Israel will die Palästinenser loswerden. Die Israelis haben es satt, Besatzer zu sein. Zudem scheint es dazu keine Alternative zu geben, wenn Israel ein demokratischer jüdischer Staat bleiben will. Ein palästinensischer Staat liegt also politisch, demographisch, soziologisch und kulturell im Interesse Israels.
Aber Netanjahu schränkte ein: Ein Palästinenserstaat dürfe niemals in der Lage sein, den Staat Israel zu gefährden: „Israel muss die Mittel haben, sich selbst zu verteidigen!“ Er fordert ein Ende des Konflikts – womit die radikal-islamische Hamas ein theologisches Problem hat. Deshalb fordert er als Vorbedingung: „Die Palästinenser müssen Israel als jüdischen Staat anerkennen!“ Selbst gemäßigte Palästinenser lehnen dieses Ansinnen ab. Auch Obamas Vorschläge, der palästinensische Staat solle entmilitarisiert sein, und mit Israel Land tauschen, stößt auf palästinensischen Widerspruch.
Und dann ist da noch das Flüchtlingsproblem. Kein arabischer Führer hat sich jemals auch nur ansatzweise bereit gefunden, das „Recht auf Rückkehr“ der palästinensischen Flüchtlinge in das Staatsgebiet Israels aufzugeben. Gleichwohl ist das eine zentrale Forderung in Obamas Plan, wie er in der israelischen Presse veröffentlicht wurde, noch ehe die palästinensische Regierung in Ramallah ihn zu sehen bekam.
Von sieben Millionen israelischen Staatsbürgern sind heute schon 1,2 Millionen Araber, also rund 20 Prozent. Eine Aufnahme von weiteren Hunderttausenden oder gar Millionen Arabern wäre für den jüdischen Staat demografischer Selbstmord. Trotzdem beharrt Präsident Mahmoud Abbas auf der Vorstellung, palästinensische Flüchtlinge in arabischen Ländern zu integrieren, sei vollkommen ausgeschlossen und deren Rückkehr in ihre 1948 verlassenen Häuser sei ein verankertes Völkerrecht, dem Israel sich nicht widersetzen dürfe.
Manchmal sind die genauen Formulierungen entscheidend – was Europäern und Amerikanern oft entgeht. Wenn garantiert ist, dass es „zwei Staaten für zwei Völker“ gibt, an deren Existenz auf keine Weise gerüttelt werden könne, ließe sich das in Israel zweifellos durchsetzen. Doch das jüdische Volk hört und versteht die Propaganda in den Moscheen, Bildungseinrichtungen und in den Medien der arabischen Welt und nimmt sie ernst. Deshalb wird die Weigerung der Palästinenser, einen „jüdischen Staat Israel“ anzuerkennen, verbunden mit der arabischen Forderung nach „zwei Staaten“ so interpretiert: Ein Staat für Palästinenser, in dessen Territorium keine „jüdischen“ Siedlungen geduldet werden – und ein zweiter für Israelis und die palästinensischen Flüchtlinge. Allein aufgrund der demografischen Entwicklung würde der binnen weniger Jahre auch nicht mehr „jüdisch“ sein, sondern eine arabisch-palästinensische Mehrheit haben.
Ein Beobachter des Politgeplänkels und der Szene vor Ort meinte spöttisch: „Die Palästinenser haben doch schon zwei Staaten – einen in der Westbank und einen in Gaza. Sie müssen diese nur noch erklären und vor allem aufbauen. Dann wollen sie auch noch einen dritten Staat für sich, indem sie Israel mit Flüchtlingen überschwemmen. Und schließlich gehört auch noch Jordanien zum ‚historischen Palästina’. Wenn dort die Demokratie ausbräche, wäre das schon heute ein vierter Staat für die Palästinenser. Mehr als 70 Prozent der jordanischen Staatsbürger sind nämlich Palästinenser.“