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Zu den Rätseln im Blick auf die jüngsten Entwicklungen in Syrien gehört auch die Rolle der Russen. Welches Spiel spielt Moskau? Hat es die Fäden in der Hand? Oder ringt es darum, eine mühsam errungene Position nicht zu verlieren?
In den vergangenen Jahren hatte der russische Präsident Putin den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu alle paar Monate in Moskau empfangen, zuletzt zwei Monate vor dem Zwischenfall am zweiten Februarwochenende bei dem ein israelischer Kampfjet abgeschossen und die Hälfte der syrischen Luftabwehr zerstörte wurden.
Im Herbst 2015 hatten Benjamin Netanjahu und Wladimir Putin die Einrichtung einer direkten Telefonverbindung zwischen der russischen Militärbasis Khmeimim an Syriens Mittelmeerküste und dem Hauptquartier der israelischen Luftwaffe vereinbart. Um ungewollte Zusammenstöße zu vermeiden, haben Moskau und Jerusalem seither ihre Militäraktionen in Syrien koordiniert.
Russland hatte die Aktivitäten der Israelis im libanesischen und syrischen Luftraum bislang toleriert. Seine „rote Linie“ ist die Existenz des Assad-Regimes, dessen Sturz Israel auf keinen Fall provozieren darf. Aktivitäten und Einrichtungen, die mit der radikal-schiitischen Hisbollah in Verbindung gebracht werden, durfte Israel allerdings ausspionieren und gegebenenfalls auch ausschalten.
Anfang Februar schienen die Russen das aggressive Spiel ihrer Bündnispartner in Syrien zumindest teilweise abzusegnen, wenn sie nicht gar das Vorgehen gegen Israel koordiniert haben. Russische Offiziere sind direkt in die syrischen Luftabwehrsysteme eingebunden. Sie haben gemeinsam mit den Syrern trainiert und für Nachschub gesorgt.
Als die israelischen Kampfjets am 10. Februar das Steuerzentrum der iranischen Drohne bombardierten, die in den israelischen Luftraum eingedrungen war, sahen sie sich Luftabwehrsalven ausgesetzt, die nur schwer von den Syrern allein ausgeführt worden sein können. Zumindest das Know-How der Russen war im Hintergrund entscheidend.
Was sind die Motive Russlands?
Hat die Großmacht aus dem Norden in letzter Zeit die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten zu spüren bekommen? Äußerst geschickt hat Putin in den vergangenen Jahren das Vakuum ausgefüllt, das die Amerikaner im Nahen Osten hinterlassen haben.
Aber in jüngster Zeit konnte er offensichtlich nicht verhindern, dass die Türken in Nordsyrien einmarschierten, um gegen die Kurden vorzugehen. Auch die Konferenz in Sochi Ende Januar hat keinen wirklichen Fortschritt in Richtung auf einen umfassenden Waffenstillstand erbracht, wie die Russen sich das erhofft hatten.
Schließlich ist auch offen, ob die schleichende, aber sehr bewusste Machtergreifung der Iraner in Syrien, dem Kreml nicht genauso unheimlich ist, wie der Regierung in Jerusalem und der gesamten sunnitisch-arabischen Welt. Aber Russland braucht die schiitischen Milizionäre als „boots on the ground“, als Rückhalt für die Armee des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.
Russland scheint sich in einer Zwickmühle zu befinden, zwischen dem Bemühen, den iranischen Einfluss einzudämmen, und dem Ziel, den Syrienkonflikt so zu beenden, dass Assad überlebt. Solange Iran-hörige Milizen den russischen Interessen nützen, wird Russland taub sein für die israelischen Sorgen, dass der Iran sich an der Nordgrenze des jüdischen Staates festsetzt. Gleichzeitig wird Moskau aber auch ein wachsames Auge darauf haben, dass Teheran in seinem Machthunger nicht zu weit geht.
Das Seil, auf dem Russland sich tanzend müht, Kontakt mit allen Kriegsparteien zu halten, wird offensichtlich immer dünner, die Atmosphäre um den russischen Seiltanz immer undurchsichtiger. Auf der einen Seite steht die fragile Koalition zwischen dem schiitisch-fundamentalistischen Mullah-Regime in Teheran, der säkular-alawitischen Regierung in Damaskus und einem starken Mann in Moskau, der sich offensichtlich immer mehr traditionellen russischen Werten annähert. Andererseits hat der jüdische Staat Israel zweifellos die Macht, das Ziel Russlands und des Iran, das Assad-Regime zu retten, in wenigen Augenblicken zunichte zu machen.
Der starke Mann?
Beobachter und Analysten ziehen aber auch noch eine andere Erklärungstheorie für den Ablauf der jüngsten Ereignisse in Betracht. Es ist durchaus möglich, dass Putin tatsächlich derjenige ist, der im Nahen Osten des Jahres 2018 die Zügel in der Hand hält und die Fäden zieht.
Unmittelbar nach den israelischen Bombardements am Morgen des 10. Februar legte Moskau Jerusalem nahe, die syrische Souveränität zu achten. Israelischen Kommentatoren fiel dabei sofort auf, dass der russische Präsident gleichzeitig das Eindringen der iranischen Drohne in den israelischen Luftraum vollkommen ignorierte. Zumindest in der Öffentlichkeit sah er keine Veranlassung im Blick auf Israel ausgewogen zu erscheinen.
Vielleicht war es tatsächlich die Telefondiplomatie des russischen Präsidenten, die den durchaus potenten Streithähnen Israel und Iran eine Fortsetzung des Geplänkels verboten hat. Dann hätte Russland sich im Nahen Osten so weit etabliert, dass es zwei Regionalmächten, die sich beide nur ungern von außen dreinreden lassen, wirkungsvoll Anordnungen erteilt.
Die spannende Frage bleibt, ob Putins Syrien-Engagement russisch Roulette ist, oder sich im Rückblick einmal als exzellent vorgeführtes russisches Ballett erweisen wird.