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Liebe Israelreport-Leser,
mein „Zwischenruf zu Jochen Vollmers Nationalgott“ hat engagierte und gegensätzliche Reaktionen unter unserer Leserschaft hervorgerufen. Dafür bin ich sehr dankbar, weil mir das zeigt, dass wir ein breites Meinungsspektrum mit dem Israelreport erreichen. Der Israelreport ist keine Fan-Zeitschrift für Gleichgesinnte, die beim Lesen lediglich auf Selbstbestätigung aus sind. Wir wollen uns gegenseitig zum Nachdenken herausfordern – und das soll so bleiben! Sie sind Leser, die sich nicht einfach abspeisen lassen. Das ist gut so! Vielen Dank für alle Ermutigung und jeden Widerspruch.
Nur im Gespräch, in der Diskussion und Auseinandersetzung mit Andersdenkenden schärfen wir unsere Erkenntnis. Nur so geschieht tatsächlich Meinungsbildung. Beunruhigend ist, wenn es keinen Widerspruch gibt. Bedenklich ist, wenn etwa alle 620 Abgeordneten unseres Bundestags einer Meinung sind – wie im vergangenen Jahr, als Israel wegen seines Vorgehens gegen die „Free-Gaza-Flottille“ verurteilt wurde. Dass mittlerweile ein Untersuchungsausschuss der UNO das Vorgehen der Israelis als grundsätzlich gerechtfertigt befunden hat, scheint niemand bemerkt zu haben. Zumindest hat es noch niemand für notwendig erachtet, sich beim jüdischen Staat zu entschuldigen. Meinungseinheit riecht in unserer Welt immer nach Diktatur.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle klarstellen, dass ich das Gespräch mit Andersdenkenden für unerlässlich halte, wollen wir geistlich und intellektuell gesund bleiben. Allerdings muss sich auch eine kontroverse Diskussion an Grundregeln der Fairness halten. Unfair ist, wenn ich jemanden beschuldige, um dann dem Angeklagten die Beweispflicht aufzuerlegen. Wenn ich etwa einem Menschen moralische Verfehlungen unterstelle, die seinen Ruf zerstören, und es ihm dann überlasse, seine Unschuld zu beweisen. Nicht ohne Grund gilt seit der Antike der Grundsatz „in dubio pro reo“ – „im Zweifel für den Angeklagten“. Dass Pfarrer Dr. Vollmer Israel unbegründet Vergehen unterstellt, die es nie begangen hat, wird dadurch nicht besser, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung glaubt, die Vorwürfe seien berechtigt. Meine Gesprächsverweigerung gegenüber Herrn Vollmer bezieht sich darauf, dass die Beweispflicht auf seiner Seite liegt. Ich werde beispielsweise niemals beweisen können, dass Juden im Mittelalter kein Blut von Christenkindern für die Herstellung ihrer ungesäuerten Brote verwendet haben – und werde mich auch auf eine solche Argumentation niemals einlassen. Viele aktuelle Vorwürfe gegen den jüdischen Staat Israel sind nicht weit entfernt von den Ritualmordlügen des Mittelalters.
Was mich besonders trifft, ist die Tatsache, dass Diskussionen, die in Europa weitab der orientalischen Wirklichkeit als akademische Übungen geführt werden, hier in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten das Leben von Menschen prägen oder gar zerstören. Was in Deutschland gesagt und geschrieben wird, sind keine akademischen Klimmzüge, die lediglich der intellektuellen Ertüchtigung oder gar dem spekulativen Lustgewinn dienen. Ein wichtiger Faktor im Nahostkonflikt sind die Meinungen, Entscheidungen und Äußerungen, die Europäer im Laufe des vergangenen Jahrhunderts gemacht haben. Wir haben Verantwortung!
Mit einem herzlichen Schalom grüßt Sie aus Jerusalem,
Ihr Johannes Gerloff