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Liebe Leser,
wenn bibeltreue Christen den Slogan „Land für Frieden“ hören, winken sie ab. „Die Juden dürfen das Land, das Gott ihnen verheißen hat, nicht hergeben“, höre ich dann, „um keinen Preis!“ Deshalb ist es eigentlich auch müßig, dass wir uns mit der Zweistaatenlösung befassen. Aus biblischer Sicht ist die Sache vollkommen klar und jedes weitere Nachdenken Gedankenverschwendung. – Wirklich?
Ganz am Anfang, als das Volk Israel noch gar nicht bestand, gab es schon ein Landproblem. Da heißt es von Abram und Lot: „Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen“ (1. Mose 13,6). Deshalb kam es regelmäßig zum Streit zwischen den Hirten der beiden Stammesfürsten.
Es ist Abram, der die Initiative ergreift und Lot eine Teilung des Landes um des Friedens willen vorschlägt: „Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder“ (v.8). Abram, dem Gott das Land versprochen hatte, lässt Lot, der keine Landverheißung hatte, wählen – und tritt ihm dann das Beste des Gelobten Landes ab. Die Gegend, die Lot wählte, war „wasserreich“ und „wie der Garten des Herrn“ (v.10).
Ja, werden Sie einwenden, aber Lot war doch Abrams Neffe, ein Verwandter. – Stimmt, aber Lot war auch der Vater von Moab und Ammon. Er war der Erzvater der Feinde Israels, die der Psalmist Asaf mit den Worten zitiert: „Wohlan!“, sprechen sie, „lasst uns sie ausrotten, dass sie kein Volk mehr seien und des Namens Israel nicht mehr gedacht werde!“ (Psalm 83,5). War die Situation wirklich so anders?
Und wie reagierte Gott auf die „Zweistaatenlösung“ des Abram? Er tadelte ihn nicht. Vielmehr erneuerte er die Zusage: „Hebe deine Augen auf und sieh von der Stätte aus, wo du wohnst, nach Norden, nach Süden, nach Osten und nach Westen. Denn all das Land, das du siehst, will ich dir und deinen Nachkommen geben für alle Zeit“ (1. Mose 13,14-15). Zumindest zur Zeit Abrams blieb die Landverheißung uneingeschränkt bestehen, trotz der de facto Teilung des Landes.
Bitte, missverstehen Sie mich nicht: Ich halte die Zweistaatenlösung nicht für das Zaubermittel zur Heilung des Nahostkonflikts. „Land für Frieden“ hat noch nie und in keinem Konflikt funktioniert. Vielleicht ist die Formel tatsächlich „unmoralisch, genau wie ‚Liebe für Geld’“, wie das vor einiger Zeit einmal ein israelischer Diplomat „unter vier Augen“ formuliert hat. Richtig ist auch, dass es bislang immer diktatorische Regimes waren, die Land gefordert und Frieden in Aussicht gestellt haben. Und schließlich wurden weder Abram noch Lot glücklich mit ihrer Lösung.
Mir geht es um unsere Haltung, die uns Zuhören und Verstehenwollen versperrt, weil wir meinen, es sei doch alles klar. Die Heilige Schrift ist aber kein Feigenblatt für Denkfaulheit. Wenn wir genau hinsehen, werden wir feststellen, dass die Vielfalt ihrer Antworten uns dazu herausfordert, kreativ, unkonventionell und aktiv das Geschehen unserer Zeit mit zu gestalten – auch in Politik und Gesellschaft.
Mit einem herzlichen „Schalom“ verbleibe ich
Ihr Johannes Gerloff