Teile diese Geschichte auf deiner Plattform!
Liebe Leser,
der Einwurf „ja, aber Israels Siedlungspolitik“ kennzeichnet so manche Beteuerung von ausgesprochenen Freunden Israels. Meist ist dann noch von „völkerrechtswidrigen Siedlungen im besetzten Westjordanland“ die Rede, gegen die man doch bei aller Freundschaft kritisch die Stimme erheben müsse.
Um gleich vorwegzunehmen: Ich habe kein Problem mit unterschiedlichen politischen Meinungen. Jeder hat das Recht, gegen die jüdische Besiedlung der Gebiete zu sein, die vor 1967 zu Jordanien gehörten. Es geht mir nicht darum, wie jemand „Israels Siedlungspolitik“ beurteilt. Sorge bereitet mir, wie wenig kontrovers und vor allem wie auffallend sachunkundig diese Frage in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert wird.
Der offiziellen Bundesrepublik Deutschland fehlt gar die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren. Eine diplomatische Schiene zu „den Siedlern“, und damit zu etwa zehn Prozent von Israels Bevölkerung, existiert gar nicht. Diplomaten der Europäischen Union engagieren sich offen und nicht selten illegal für „die Sache der Palästinenser“. Übrigens: Alle Europäer stellen de facto das Recht des jüdischen Staates Israel auf Westjerusalem in Frage, während sie gleichzeitig den palästinensischen Anspruch auf Ostjerusalem massiv unterstützen – und das, obwohl der Status der umstrittenen Gebiete laut Abkommen von Oslo durch Verhandlungen geklärt werden sollte.
Bedenklich stimmt, dass Europäer nicht in gleicher Weise ihren türkischen Freunden, chinesischen Geschäftspartnern oder marokkanischen Nachbarn ins Gewissen reden. Deren Staaten betreiben nämlich ebenfalls Siedlungspolitik in Gebieten, die ihnen völkerrechtlich nicht zustehen. In einigen Fällen fördert die EU dort aktiv, was sie in Israel so entschieden verurteilt.
Das Allheilmittel zum Verständnis verfahrener Konflikte, sich beide Seiten anzuhören, hilft im Fall von „Israels Siedlungspolitik“ nichts. Die schlimmsten Unwahrheiten werden von Juden verbreitet, die größte Unkenntnis zeichnet Israelis aus. So habe ich gerade jetzt während meines Sommerurlaubs in Europa zwei junge Israelis getroffen. Auf meine Frage, wo sie wohnten, teilten sie mir strahlend mit: „Ma’aleh Adumim!“ Auf meine augenzwinkernde Feststellung, „Dann seid Ihr ja echte Siedler!“, reagierten sie entrüstet: „Niemals! Wir sind doch gegen Extremisten!“
Apropos „Siedlungspolitik“: Welche „Politik“ betreibt die Regierung Israels eigentlich? Palästinenser wie Israelis beobachten: Die israelische Regierung verfolgt konsequent einen Zick-Zack-Kurs. Genauere Recherchen ergeben, dass Netanjahu den Siedlern die größten Schwierigkeiten macht, während sie unter den Linksregierungen ihres Landes fruchtbarste Blütezeiten erleben. Wenn die Siedlungen aber nicht das Ergebnis einer gezielten Regierungspolitik sind, sondern einer Bewegung von Zivilisten entspringen, wird die Bezeichnung „illegal“ problematisch, weil Völkerrecht nur die Vorgehensweise von Regierungen reglementiert, nicht aber das Verhalten von Zivilbevölkerung.
Aber ich wollte Sie, liebe Leser, eigentlich nicht verwirren, sondern zum neugierigen Fragen und Kennenlernen ermutigen – beim Lesen unseres Magazins oder auch bei Ihrer nächsten Israelreise.
Deshalb grüße ich Sie an dieser Stelle herzlich und verbleibe
Ihr Johannes Gerloff