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Die Stimme des Schofars ist vor dem jüdischem Neujahrsfest ein Monat lang jeden Morgen zu hören. An Rosch HaSchanah, dem jüdischen Neujahrstag, wird in den Synagogen dann der 47. Psalm gelesen: „Schlagt froh in die Hände, alle Völker, und jauchzet Gott mit fröhlichem Schall! … Gott fährt auf unter Jauchzen, der Herr beim Schall des Schofars“ (Psalm 47,2+6).
Der Schofar, das Widderhorn, gehört zu den ältesten Musikinstrumenten überhaupt. Es handelt sich um ein besonderes Instrument, weil seine Stimme untrennbar mit der biblischen Botschaft und dem Glauben an Gott als den Schöpfer und König dieser Welt zusammenhängt. Dieser Gott möchte gehört werden. Er redet zu Menschen und antwortet ihnen.
Der hebräische Ausdruck „Schofar“, von Luther meist mit „Posaune“ übersetzt, von anderen Übersetzungen genauer als „Horn“, findet sich in der Bibel oft in der Verbindung mit dem Wort „Stimme“, „Schall“. Die Aufgabe der Stimme des Schofars ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass Gott handelt, dass Er redet, dass Er warnt, aber auch dass Er des Lobes und fröhlicher Anbetung würdig ist.
Dieses Instrument ist aus dem Horn eines Tieres gemacht. Deshalb kann man ihm keine Melodie entlocken. Es gibt eher Geräusche von sich, die ein Könner als Ton in unterschiedlichen Längen gestalten kann. Die Aufforderung, den Schofar zu blasen, kommt in der Schrift wiederholt vor. Der Herr hat seinem Volk sogar geboten, ein Fest des Hornblasens zu feiern (4. Mose 29,1). Deswegen ist das Schofarblasen in der jüdischen Tradition fest verankert. Das jüdische Neujahrsfest, Rosch HaSchanah, ohne das Widderhorn nicht denkbar.
Es gibt Zeugnisse aus den Vernichtungslagern Auschwitz und Bergen Belsen, dass es Juden unter Lebensgefahr gelungen war, einen Schofar hineinzuschmuggeln und an Rosch HaSchanah zu blasen. Das Widderhorn aus Auschwitz wanderte dann mit dem jüdischen Volk auf den Todesmarsch. Später kam es nach Israel und ist heute im jüdischen Museum in New York ausgestellt. Das Schofar aus Bergen Belsen wurde vor ein paar Jahren in einem Dorf in Samarien wiederentdeckt.
Die Tradition des Schofarblasens hat sich im Laufe der Zeit weiter entwickelt. Rabbiner haben ausführlich darüber diskutiert. Heute wird hauptsächlich über drei Töne geredet: „Tekia“, „Tru’ah“ und „Schewarim“. Zwei dieser Bezeichnungen stammen aus der Bibel.
„Tekia“ ist ein in die Länge gezogener Ton. In der Bibel finden wir den Ausdruck den Schofar mit so einem langgezogenen Ton zum Schall zu bringen. „Tru’ah“ nennen Juden die kurzen Töne, die schnell aufeinander folgen. Die dritte Bezeichnung „Schewarim“ stammt aus der jüdischen Literatur und bedeutet wörtlich „Bruchteile“. Es sind mittellange Töne, die an das Gebrochen-Sein eines Menschen erinnern sollen, der seine Übertretungen bedauert. Diese unterschiedlichen Töne werden nun beim Schofarblasen nach einem genauen Muster kombiniert: „Tekia-Tru’ah-Tekia“, „Tekia-Schewarim-Tekia“, „Tekia-Schewarim-Tru’ah-Tekia“.
Das Gebot einen „Tag des Blasens“ zu halten, steht auch in 3. Mose 23,24. Dort fehlt übrigens das Wort „Schofar“. Dafür erscheint aber der Ausdruck „Andenken“ oder „Gedächtnis“. Deshalb wollen wir uns ein paar Bibelstellen ins Gedächtnis rufen, in denen der Schofar vorkommt.
Zum ersten Mal erklang die Stimme des Schofars auf gewaltige Weise am Sinai, als das Volk am Fuß des Berges stand, es donnerte und blitzte. Mose redete mit Gott. Der antwortete ihm hörbar. Die Beschreibung dieser Szene, als die Stimme des Schofars immer lauter und lauter wurde, weist darauf hin, dass in diesem Fall die Stimme des Widderhorns vom Himmel kam.
Ähnlich beschreibt das der Prophet Sacharia: „Der Herr wird über ihnen erscheinen. Sein Pfeil wird ausfahren wie der Blitz. Gott der Herr wird den Schofar blasen und einherfahren in den Stürmen vom Süden“ (Sacharia 9,14).
Beim Schall des Schofars fielen die Mauern von Jericho ein (Josua 6). Der Schofar erklang, als Salomo zum König gesalbt wurde (1. Könige 1,41). Eine weitere Funktion des Schofars ist der einer Militärtrompete vergleichbar. Dabei ist das Besondere, wie Nehemia sagt: „Unser Gott wird für uns kämpfen!“ (Nehemia 4,14).
In den Texten der biblischen Propheten verkündet der Schofar Gericht, ruft zur Buße und warnt: „Achtet auf den Schall des Schofars! Aber sie sagen: Wir wollen nicht darauf achten“ (Jeremia 6,17; vergleiche Hesekiel 33,4-5). Fröhlich erklangen die Widderhörner als die Bundeslade nach Jerusalem gebracht wurde (1. Chronik 15,28).
In den Psalmen finden wir Aufforderungen, Gott mit Musik, Singen und der Stimme des Schofars zu feiern. Besonders fällt da der oben genannte „Neujahrspsalm“ 47 auf. Psalm 98, der ebenfalls ein Aufruf ist, Gott mit dem Schall des Schofars zu loben, drückt eine fröhliche Erwartung der Natur und der Menschen aus, dass der Herr, der König, als Richter kommt und Seine, in der Welt so sehr fehlende Gerechtigkeit aufrichtet.
Laut der jüdischen Tradition soll die Stimme des Schofars einen Monat lang vor dem Fest gehört werden, also im gesamten Monat Elul. In diesem Heulen, aber auch fröhlichem Schall, können wir ganz unterschiedliche Aspekte wiederfinden. Deshalb redet der Schofar zu jedem von uns ganz persönlich.
Seine Botschaft in einer Zeit der Pandemie ist: „Ja, es ist Zeit Buße zu tun!“ Gleichzeitig ist es aber auch möglich, sich zu freuen, weil Gott derjenige ist, der über die Welt herrscht. Es ist der Gott, der sich am Sinai offenbart hat als „barmherzig, gnädig, geduldig, von großer Güte und Treue, der Tausenden Gnade bewahrt und Missetat, Übertretung und Sünde trägt, aber niemanden ungestraft lässt, sondern die Missetat der Väter an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied heimsucht“ (2. Mose 34,6).