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EDITORIAL FÜR IDEA-SPEKTRUM
Liebe Leser,
„Israel muss die Hisbollah total vernichten.“ Darin sind sich die messianische Jüdin Alice aus Naharija und der arabische Christ Nabil aus Mrar einig. Nabil ist mit einer Libanesin verheiratet und hat selbst zwölf Jahre im Libanon gelebt, bevor er in sein Heimatdorf Mrar oberhalb des Sees Genezareth zurückgekehrt ist. In der Hand hält er Schrotkugeln und Splitter von der Fadschar-Rakete, die aus der Festhalle in Tiberias, die er als Hausmeister betreut, einen Trümmerhaufen gemacht hat. Nabil weiß: „Die Hisbollah will nicht nur Israel vernichten. Die Hisbollah zerstört auch den Libanon.“
Der Norden Israels riecht nach verbrannter Erde. Katjuscha-Raketen haben den Wald und das Buschland in Brand gesetzt. In Städten und Dörfern sind auf Straßen und an Häusern die Folgen der Einschläge und Explosionen zu sehen. Wer konnte, hat sich in Richtung Süden abgesetzt. Die Ortschaften sind gespenstisch menschenleer. Je weiter man nach Norden kommt, desto lauter wird das scharfe Donnern der Artillerie, die Tag und Nacht in den Süden des Libanon hineinschießen. Pausenlos sind Helikopter und Kampfjets in der Luft. Wie feurige Pfeile zischen Abwehrraketen durch die trübe Luft. Der Krieg, in dem sich der jüdische Staat seit seiner Gründung vor fast 60 Jahren befindet, ist neu eskaliert.
Die israelische Gesellschaft ist sich so einig, wie nur selten. Der Bedrohung aus dem Norden, die mittlerweile die Menschen bis auf die Höhe von Tel Aviv in die Bunker treibt, muss ein für alle Mal ein Ende bereitet werden. Der Libanon muss begreifen, dass er verantwortlich ist für das, was auf seinem Territorium geschieht. Der Beschuss durch immer teuflischer werdende Raketen, der seit Jahrzehnten zum täglichen Leben in Nordisrael gehört, muss aufhören. Die größte Angst der Israelis kommt immer wieder zur Sprache: Dass der Druck der Weltöffentlichkeit Israel einmal mehr zwingen könnte, eine Militäraktion vorzeitig und unvollendet abbrechen zu müssen.
Dabei ist sich jeder darüber im Klaren, dass die Bombardierung des Libanon und eine Vernichtung der Hisbollah-Miliz, falls sie tatsächlich gelingen sollte, der Schlange lediglich den Schwanz zertrümmert. Die Drahtzieher des Terrors und der Soldatenentführungen im Libanon, wie auch im Gazastreifen, sitzen in Damaskus. Von dort gelangen Finanzen, Raketen und Direktiven zur schiitischen Hisbollah im Südlibanon, wie auch zur sunnitischen Hamas und dem Islamischen Dschihad in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Deshalb hat Israel schon vor Wochen den warnenden Zeigefinger in Richtung Nordosten erhoben – und die Syrer sahen sich gedrungen, für den Falle eines Angriffs mit Vergeltung zu drohen.
Doch auch in Damaskus sitzt nur der Schwanzansatz des Terrormonsters. Wer dem mörderischen Ungetüm das Genick brechen will, muss sich nach Teheran wenden. Von dort wird „die Auslöschung des Schandflecks Israel von der Landkarte“ nicht nur gefordert, sondern aktiv betrieben. Aber die regionalen oder gar weltweiten Auswirkungen eines offenen Krieges mit dem Iran will sich auch in Israel momentan kaum jemand real vorstellen. Vielleicht kann man dieser Tatsache aber auch nur ins Auge schauen, wenn man weiß, dass der Schlange bereits der Kopf zertreten ist.
Mit dem altchristlichen Wunsch „Maranatha“, Herr komm bald, und bringe deinen Frieden in diese Welt, grüße ich Sie herzlich,
Johannes Gerloff