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Liebe Leser,
im Rückblick auf die „Free Gaza“-Friedensflotille beunruhigt mich nicht, dass der Iran oder die Türkei einen Hegemonieanspruch im Nahen Osten durchzusetzen suchen. Dass Palästinenser ihr Anliegen vorantreiben und Israelis ihre Sicht der Dinge darzulegen suchen, ist vollkommen legitim. Aber warum müssen wir als Europäer, als Deutsche, als Christen immer gleich automatisch – quasi reflexdominiert oder adrenalingesteuert – auf eines der vorbei galoppierenden Propagandapferde aufspringen? Warum ordnen wir, ohne lange prüfen zu müssen, jede Äußerung, jede Darstellung von Abläufen, jede Berichterstattung gleich als „pro-palästinensisch“ oder „pro-israelisch“ ein – um dann zu suggerieren, dass man notgedrungen und alternativlos Partei für eine der beiden Seiten ergreifen müsse?
Während Journalisten, Politiker und Sicherheitsexperten noch daran arbeiteten, ein klares Bild von den Vorgängen in den frühen Morgenstunden des 31. Mai 2010 zu bekommen, schien man in Europa nicht nur zu wissen, was passiert war, sondern war sich auch vollkommen darüber im Klaren, wer verantwortlich, wer schuldig ist. Unversehens segelten ganze Völker und Kirchen im Kielwasser eines Schiffes, das von Islamisten bestimmt war. Vielleicht war der Steuermann gar der Al-Qaida verpflichtet?! Die Entschuldigung von Bundestagsabgeordneten, „Wir haben nicht gewusst…“, klingt verdächtig dünn und gleicht im Rückblick auffallend den Entschuldigungen von vielen vermeintlich unschuldigen Deutschen vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert.
Es geht vorrangig nicht um die Frage, wer im östlichen Mittelmeerraum Recht oder Unrecht hat. Ich denke, dass jeder von uns das Recht auf eine korrekturbedürftige Äußerung oder gar falsche Meinung haben sollte. Aber: Müssen wir immer im Windschatten einer Ideologie segeln? Brauchen wir immer einen, der uns den Marsch bläst und vorschreibt, wohin es im Gleichschritt zu gehen hat? Warum darf man nicht aus der Reihe tanzen, mit Fragen, mit unangenehmen Fakten, einer anderen Ansicht? Warum lehnen wir uns, wenn Ereignisse sich überschlagen, nicht zunächst einmal gelassen zurück und warten die Faktenlage ab, wenn sich der Staub gelegt oder die Wogen geglättet haben? Warum besinnen wir uns nicht – bevor wir eine Meinung fassen oder äußern – auf unsere Werte, darauf, was uns als Christen wichtig, entscheidend und maßgebend ist?
In seiner Endzeitrede (Matth. 24+25 pp) ermutigt Jesus zur Besonnenheit, Treue, Zuverlässigkeit, Klugheit und Wachsamkeit. Er sagt nicht nur Verfolgung voraus, sondern warnt auch eindringlich und wiederholt vor Verführung, die so heftig werden sollen, dass, „wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt“ würden. Diese Worte unseres Herrn nehme ich sehr ernst. Sie sind so aktuell, wie selten zuvor.
Ich will nicht der Disziplinlosigkeit, dem Chaos oder der allgemein akzeptierten „Gleich-gültigkeit“ aller Meinungen und Lehren, die heute vielerorts unter dem Deckmantel der Toleranz propagiert wird, das Wort reden. Es gibt Wahrheit! Davon bin ich zutiefst überzeugt. Aber um diese Wahrheit will gerungen werden. Und Denkfaulheit oder intellektuelle Bequemlichkeit sind die Voraussetzungen für Verführbarkeit. Jede automatische Hörigkeit führt letztendlich zu einer krankhaften Abhängigkeit. Deshalb müssen wir miteinander diskutieren, uns dagegen wehren, wenn uns jemand einfach eine Meinung vorsetzen will.
Mit herzlichen Segenswünschen möchten wir Sie zum Nachdenken und Mitdenken einladen,
Ihr Johannes Gerloff