Teile diese Geschichte auf deiner Plattform!
„Der Herr wird seinem Volk Kraft geben; der Herr wird sein Volk segnen mit Frieden.“ Diese Worte aus Psalm 29 zitierte kurz vor dem dritten Gazakrieg ein Vertreter des israelischen Militärs bei einer feierlichen Zeremonie. Genau dasselbe beobachte ich schon in den ganzen Jahren, in denen wir in Israel Leben.
Wir kamen nach Israel wenige Monate nachdem die Verträge von Oslo unterschrieben worden waren. Kurz darauf begann für Israel eine der blutigsten Zeiten Mitte der 1990er Jahre. Ein Selbstmordattentat nach dem anderen wurde verübt. Ja, Menschen trauern, sind traumatisiert und verletzt. Aber als Volk werden sie durch diese Herausforderungen der Bedrohung und der andauernden Feindschaft nicht gebrochen.
Während ich diese Gedanken bewege, ruft die Mutter eines Bräutigams während der Hochzeitsfeier in Aschdod vor laufender Kamera: „Sie werden uns nicht brechen!“ Kurz darauf ertönt die Sirene: Raketenalarm. Alle Hochzeitgäste, einschließlich der Reporterin, laufen in die Schutzräume. Danach geht die Hochzeitsfeier weiter.
Ich habe im Laufe der Jahre den Eindruck gewonnen, dass das jüdische Volk in Israel aus den Konflikten immer wieder gestärkt hervorgeht. Wie sonst könnte jetzt Miriam Peretz, eine Witwe, die in Israels Kriegen zwei Söhne verloren hat – Uriel im Libanon und Eliras in Gaza – für das Amt des Präsidenten kandidieren?
Bei der Beerdigung von Eliras, der als Reservist und Vater von vier Kindern gefallen ist, war ich dabei und schrieb mir anschließend auf: „Um mich rum sind hunderte von Menschen versammelt in großer Trauer und Schmerz. Sie erheben ihre Stimme zu Gott; Männer, Frauen, Mädchen und Jungen schluchzen vor dem Gott Israels auf dem Herzl-Berg ganz in der Nähe der Holocaustgedenkstätte Jad VaSchem: ‘Wie lange noch? Wann kommt endlich der versprochen Messias und bringt uns Frieden!’ Ich stehe mitten im Volk Israel, das zu Gott schreit. Ich lebe unter dem Volk, das Gott durch das Schilfmeer geführt hat, durch den Holocaust und darüber hinaus durch Krieg und Terror. Ich spüre ihren tiefen Schmerz und gleichzeitig eine besondere Kraft im Leiden.“
Mirjam Peretz weiß, woher sie ihre Kraft schöpft. Sie liebt den „Tenach“, die hebräische Bibel, die aus „Thora, Propheten und Schriften“ besteht. Diese Liebe gab sie als Lehrerin jahrelang an die nächste Generation weiter. Aus diesem Grund organisierte sie Bibelquizze. Immer wieder sagte sie, jeder könne in der Bibel eine Antwort finden, ganz gleich ob er traurig oder fröhlich sei, ob er Weisheit oder einen Rat suche oder nur etwas über das Land Israel und die Geschichte des jüdischen Volkes erfahren wolle.
Bei einer anderen Gelegenheit erzählte sie: „Ich bin ein einfacher Mensch. Ich bin in Marokko geboren und im Gebirge Atlas unter Menschen aufgewachsen, die weder schreiben noch lesen konnten. Auf Hebräisch kannten sie nur ein einziges Wort: Jeruschalajim. Jeden Abend hat mir mein Vater von Jerusalem erzählt, von einem Ort, an dem Milch und Honig fließen und unter dessen Bäumen Löwen und Schafe friedlich nebeneinander ruhen. Wo gibt es so ein Jerusalem?! In meinem Jerusalem fließt Blut. Bei jedem Tritt auf den Steinen Jerusalems fühle ich das Herz eines Soldaten, der fallen musste, damit ich hier gehen kann.“
Die Freude in Miriams Leben war immer mit Schmerz verbunden. Trotzdem strahlt sie Optimismus und Energie aus. Sie meint: „Ich habe zwei Möglichkeiten: Mich weinend ins Bett zu verkriechen und Israel, Gott und die ganze Welt anzuklagen. Die andere Möglichkeit ist, aufzustehen, mich umzuschauen und für alles, was ich habe, zu danken.“