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„Israel ist die größte Bedrohung im Nahen Osten.“ Davon will Irans Präsident Hassan Ruhani die Welt überzeugen. Er bot mit derlei Verlautbarungen am 25. September 2018 vor der 73. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York nicht nur Donald Trump Paroli. Der US-Präsident hatte kurz zuvor seine eigene Rede zu einem großen Teil „der korrupten Diktatur im Iran“ gewidmet. Trump warf Ruhani vor, Chaos, Tod und Zerstörung in Syrien zu säen, den Reichtum seines Volkes zu plündern, Mord und Totschlag zu verbreiten.

Der iranische Präsident erhofft sich mit seinen anti-israelischen Äußerungen auch Pluspunkte in der islamischen und arabischen Welt. Die hat er dringend nötig. Denn im orientalischen Konfliktknäuel ist das Mullah-Regime eine der bestgehassten Größen.

Vernichtungsdrohungen

Bei den Spannungen zwischen Israel und dem Iran geht es um einen Konflikt, in dem die eine Seite der anderen mit Vernichtung droht, oder ihre Vernichtung zumindest prophezeit. „Der Schandfleck Israel muss weg“, ist aus Teheran immer wieder zu hören.

Der jüdische Staat Israel nimmt solche Aussagen sehr ernst. Premierminister Benjamin Netanjahu betonte zwei Tage nach Trump und Ruhani vor der UN-Generalversammlung: „Unsere Zukunft ist bedroht, ja, unser Überleben.“

Brennpunkt Syrien

Brennpunkt der iranisch-israelischen Auseinandersetzung ist momentan Syrien. Das Land quält sich mühsam dem Ende eines blutigen Bürgerkriegs entgegen. Israel will verhindern, dass sich der Iran in dieser Übergangszeit in Syrien festsetzt. Außerdem bemüht sich das israelische Militär, Waffenlieferungen aus dem Iran an die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon zu verhindern. Die Hisbollah hat mehr Raketen auf Israel gerichtet, als die Nato – die USA nicht mit eingerechnet – besitzt.

Normalerweise schweigt das offizielle Israel, wenn „Quellen aus dem Ausland“ behaupten, das israelische Militär sei jenseits der Grenzen des Landes aktiv gewesen. Anfang September 2018 gab Israel allerdings zu, seit 2017 mehr als 200 Ziele in Syrien bombardiert zu haben. Netanjahu droht: „Wir werden weiterhin in Syrien… im Libanon… im Irak gegen [den Iran] agieren. Wir werden aktiv sein, wann immer und wo immer wir unseren Staat und unser Volk verteidigen müssen.“

Fehlschläge

Netanjahus Worte haben eine hohe Brisanz. Mitte September hatte die israelische Luftwaffe Armeebasen in der nordsyrischen Hafenstadt Latakia angegriffen. Dabei wurde ein russisches Militärflugzeug von der syrischen Luftabwehr abgeschossen. Fünfzehn Russen kamen ums Leben.

Seit Russland massiv in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen und das Los zugunsten Bischar Assads gewendet hat, koordinieren Russen und Israelis ihre Bewegungen im syrischen Luftraum. In diesem Fall scheint die Koordination nicht funktioniert zu haben. Russische Boden-Luft-Raketen der Syrer brachten das russische Flugzeug zum Absturz.

Undurchschaubares Wirrwarr

Der Abschuss der russischen Iljuschin Il-20 verdeutlicht, wie kompliziert dieser Konflikt ist, dass keine Front wirklich verständlich ist, solange nicht ein Dutzend andere Interessen mitbedacht werden. Zur Debatte steht nicht nur das iranisch-israelische Verhältnis, sondern auch die Position Russlands, sein Verhältnis zu den Amerikanern und Europäern. Dabei können Konfliktherde wie die Ukraine eine Rolle spielen – um nur ein Beispiel zu nennen. Es gibt kaum noch einen Staat auf unserem Planeten, der nicht in irgendeiner Weise im syrischen Konflikt engagiert ist. Die Interessen der Beteiligten sind nicht selten nach mehreren Seiten hin widersprüchlich.

Israel als Unterpfand

Nicht einmal die iranische Sicht auf Israel ist eindimensional fassbar. So wird dieser Tage aus dem Iran berichtet, die Menschen dort sähen Israel als Sicherheitsgarantie im Blick auf die USA. „Solange wir Israel durch die Hisbollah und Syrien als Geisel haben, werden uns die USA und Saudi-Arabien nicht angreifen.“

Tatsächlich ist der Hass zwischen Iranern und Arabern viel größer als die Spannung zwischen der Islamischen Republik Iran und dem jüdischen Staat Israel. Dabei spielt auch die abgrundtiefe, vielfach tödliche Feindschaft zwischen Schiiten und Sunniten eine Rolle.

Konfliktherd Golfregion

Diese Doppel-Front zwischen Schiiten und Sunniten, sowie zwischen Iranern und Arabern, trat am 22. September in der iranischen Stadt Ahvaz offen zu Tage. Während einer Militärparade der iranischen Revolutionsgarden im Gedenken an den iranisch-irakischen Krieg eröffneten als Soldaten verkleidete Terroristen das Feuer. 25 Menschen wurden getötet, mehr als 60 verletzt. Ahvaz ist die Hauptstadt der Region Khuzestan, wo direkt an der Grenze zum Irak der größte Teil der arabischen Minderheit im Iran lebt.

Bereits nach wenigen Tagen identifizierten die Behörden fünf Attentäter und beschuldigten arabische Separatisten. Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, machte Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate für den Anschlag verantwortlich. Mindestens zwei der arabischen Terroristen erschienen zudem in einem Video des Islamischen Staates, der ebenfalls die Verantwortung übernehmen wollte.

Bald tauchten im Internet Drohungen von Irans Revolutionsgarden auf, Riad und Abu Dhabi mit Raketen zu beschießen. Zweimal hat der Iran in den zurückliegenden Monaten ballistische Marschflugkörper zum Einsatz gebracht: Einmal auf Ziele des Islamischen Staates in Syrien. Ein anderes Mal gegen iranisch-kurdische Separatisten im Nordirak.

Das Raketenprogramm des Iran steht unter Kontrolle der paramilitärischen Revolutionsgarden, die direkt Chamenei unterstellt sind. Mit einer Reichweite von 2 000 Kilometern bedrohen sie nicht nur Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch amerikanische Militärstützpunkte in der Region und Israel.

Der Anschlag von Ahvaz zeigt, dass der Iran die Bedrohung unmittelbar „vor seiner Haustür“, wenn nicht „in seinem Wohnzimmer“ erfährt. Dabei sind die Spannungen in der Golfregion nicht nur zwischen den Staaten und Regimen, sondern auch innerhalb derselben präsent. Das gilt für die arabisch-sunnitische Minderheit im Iran ebenso, wie im Blick auf schiitische Minderheiten in Saudi-Arabien.

Der Jemen und das Horn von Afrika

Der Iran liefert sich – durch seine Stellvertreter, die jemenitischen Houthi-Rebellen – seit Jahren einen blutigen Krieg mit den Scheichs der Arabischen Halbinsel. Das Leid trägt die jemenitische Bevölkerung. Dieser Krieg wird von der Weltöffentlichkeit vergleichsweise wenig beachtet, ist aber im Bewusstsein der Menschen im Nahen Osten sehr präsent.

Aus israelischer Sicht ist das Engagement der Islamischen Republik im Süden der Arabischen Halbinsel eine sensible Angelegenheit. Durch das Rote Meer und am Horn von Afrika verläuft eine entscheidende Wirtschaftsader Israels nach Südostasien. Deshalb erinnerte Netanjahu die Delegierten der UNO-Vollversammlung nicht nur daran, was der Iran mit Kurden und Sunniten, im Libanon oder im Gazastreifen tut, sondern auch, dass er die freie Schifffahrt durch die Meerengen von Hormus und Bab al-Mandeb bedroht.

Die positive Seite des Iran-Deals

Netanjahu wettert seit Jahren gegen den so genannten „Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan“, in dessen Rahmen sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland und EU seit Juli 2015 um das iranische Atomprogramm kümmern. Trump hat dieses Abkommen aufgekündigt.

Jetzt kann ausgerechnet Netanjahu diesem Deal etwas Positives abgewinnen: „Er hat Israel und viele arabische Staaten näher zusammengebracht, als je zuvor… in einer Freundschaft, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre.“

So zeigt sich Saudi-Arabien in letzter Zeit auffallend pro-israelisch. Anscheinend haben die Saudis große Angst vor einer israelisch-iranischen Versöhnung. Man bedenke: Der Zwist zwischen Israel und dem Iran besteht nur auf Regierungsebene. Ein Regimewechsel im Iran könnte über Nacht alles ändern.

Ein Regimewechsel ist der Bevölkerung im Iran möglicherweise wichtiger, als der Regierung in Jerusalem. Die Mehrheit der Iraner ist nicht nur weit weniger religiös als ihr Regime. Sie sind zu großen Teilen auch grundsätzlich misstrauisch gegenüber dem Islam, einer Religion, die untrennbar mit der im Iran verachteten und verhassten arabischen Kultur verbunden ist.

Saudi-Arabiens Konflikt mit dem Iran geht viel tiefer und besteht auf einer Reihe von Ebenen. Er ist rassistisch: Araber gegen Iraner. Er ist religiös: Schiiten gegen Sunniten. Und er besteht auf politischer Ebene: Der Iran ist eine Republik und das Land kann auf eine demokratische Tradition verweisen. Saudi-Arabien ist die Diktatur eines Familienclans.

Das Mene-Tekel an der Wand

Ein unmittelbar bevorstehender Regimewechsel im Iran erscheint selbst bei oberflächlicher Betrachtung nicht von der Hand zu weisen. Das „Mene Tekel“ steht an der Wand, wie einst beim biblischen König Belsazar (Daniel 5). Daraufhin deuten öffentliche Äußerungen von Ex-Präsident Mahmud Ahmedinedschad, der seinen Landsleuten offen eine Besserung der miserablen Wirtschaftslage verspricht: „Wenn nicht, dürft ihr mich und meine Familie aufhängen.“

Die iranische Wirtschaft erlebt eine atemberaubende Talfahrt. Deshalb war es bereits im Dezember 2017 zu Demonstrationen gekommen, die sich auf mehr als 80 Städte ausgeweitet und mindestens 25 Todesopfer gefordert hatten. Dafür verantwortlich sind nicht nur amerikanische Sanktionen, sondern auch eine furchtbare landesweite Dürrekatastrophe.

Vor den Wechselstuben flehen die Menschen Touristen verzweifelt an, ihnen US-Dollar oder Euro zu verkaufen. Viele handeln nur noch mit Gold oder legen ihre Werte in Teppichen an. Geschäfte sind geschlossen. Der iranische Rial hat allein in den ersten drei Vierteln des Jahres 2018 75 Prozent seines Wertes verloren.

Shows, …

Zu Netanjahus Strategie gegen das iranische Regime gehören nicht nur erstklassige Show-Auftritte, wie der Ende April 2018. Damals eröffnete er der internationalen Presse, dass israelische Geheimdienste eine halbe Tonne Aktenmaterial aus dem Iran gestohlen haben: Der Beweis dafür, dass der Iran tatsächlich an einer Atombombe gearbeitet hat.

Auch bei seinem jüngsten UNO-Auftritt bediente sich Netanjahu der Erfolge seiner Geheimdienste. Seine Grundbotschaft an die Weltöffentlichkeit: Der Iran lügt, wenn er behauptet, nie an einer Atombombe gearbeitet zu haben.

… ein Sinn für die Realität…

Die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2018 offenbarte wie vielschichtig, ja widersprüchlich Israels Verhältnis mit dem Iran ist. Da gerieten israelische Fernsehreporter in eine Gruppe von iranischen Fußballfans. Die Iraner waren scharf darauf, den Israelis in die Kamera zu sagen: „Wir lieben Euch Israelis!“

Zeitgleich feuerten Fans der iranischen Mannschaft beim Spiel gegen Spanien in einem Jerusalemer Viertel „ihre“ Mannschaft an. Es ist nicht schwer, im israelischen Alltag einen der insgesamt 350 000 iranischen Juden zu treffen, der von der guten alten Zeit in Isfahan oder Teheran träumt.

Israels Fußballfan Nummer Eins, Benjamin Netanjahu, machte aus seiner Begeisterung für die iranischen Fußballer kein Hehl und hofft: „Eines Tages wird die israelische Fußballmannschaft gegen die iranische Mannschaft in einem freien Iran spielen.“ Er konnte sich dann aber ein Wort an die iranische Regierung nicht verkneifen: „Stellen Sie sich vor, was Ihr Geld bewirken könnte, wenn Sie es nicht für Terror in Syrien und im Jemen ausgeben, sondern damit die Luftverschmutzung und Wasserknappheit im Iran beheben würden.“ Damit stocherte Israels Regierungschef in einer offenen Wunde. Immer mehr Iraner fordern von ihrer Regierung: „Palästina und Syrien sind der Grund für unsere Misere. Raus aus Syrien! Denkt an uns!“

…und offene Drohungen

Netanjahu zeigt sich nicht nur gut informiert über die Zustände im Iran. Er bringt seine Botschaft an „die Tyrannen von Teheran“ auf offen auf den Punkt: „Israel weiß, was Sie tun. Israel weiß, wo sie es tun. Israel wird einem Regime, das seine Vernichtung fordert, niemals Atomwaffen zugestehen. Nicht jetzt! Nicht in zehn Jahren! Niemals!“

Der Autor

By Published On: September 30, 20189 min read

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