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Liebe Freunde,
das Misstrauen von Israelfreunden gegenüber den Palästinensern ist oft größer, als der Mangel an Vertrauen zwischen den verfehdeten Parteien hier zulande. „Wie soll Israel mit solchen Leuten je Frieden schließen?“, wird gefragt – und oft im selben Atemzug beantwortet: „Das hat doch alles keinen Sinn, wenn die Hamas so viel Rückhalt in der Bevölkerung besitzt und es vom Koran her keine Möglichkeit zu geben scheint, die Juden zu akzeptieren.“
Ähnlich deprimiert äußern sich diejenigen, die sich mit den Palästinensern identifizieren: „Ein Ende der Besatzung, echte Selbstbestimmung für die Palästinenser ist nirgends in Sicht!“ Zunehmend werden Stimmen laut, die ein Existenzrecht des jüdischen Staates grundsätzlich hinterfragen, für unmoralisch halten, dass das Volk Israel als „auserwählt“ gilt – wie unlängst der amerikanische Jude Mark Braverman.
Mit dem Unterton der Verzweiflung steht die Frage im Raum: „Wo liegt denn nun die Lösung für den Nahostkonflikt?“ Wer nicht Fatalist ist, hat die Bemühungen des amerikanischen Außenministers Kerry mit Spannung verfolgt – und steht wieder vor einem diplomatischen Scherbenhaufen.
Wie realitätsnah und gleichzeitig gelassen ist da doch die Sichtweise, die uns die Bibel vermittelt. Sie lässt sich auf keine Illusionen ein, weder im Blick auf die abgrundtiefe Bosheit des Menschen, noch auf das Evolutionspotential dieser Schöpfung. Die Konflikte dieser Welt sind unlösbar! Gleichzeitig zeigt sie auf, dass nicht irgendeine Lösung entscheidend ist, die durch noch etwas mehr Anstrengung eventuell erreichbar würde, sondern wie man sich auf dem Weg bewährt.
Auf weltpolitischer Ebene, in der Gesellschaft, aber auch in ganz privaten Beziehungen sind wir dazu gerufen, unsere Konflikte in Verantwortung vor Gott zu durchleben. Scheidung ist zwar Lösung eines Konflikts, aber nicht der Wille Gottes.
Biblische Friedenszeiten dauerten zehn (2.Chr 13,23), 35 (2.Chr 15,19), 40 (Ri 3,11) oder in seltenen Fällen auch einmal 80 Jahre (Ri 3,30). Wenn der Hamasgründer Scheich Ahmed Jassin dem damaligen Mossadchef Efraim HaLevy eine „Hudna“ – das heißt, einen Waffenstillstand – von 30 Jahren angeboten hat, dann sind das nach biblischen Maßstäben immerhin schon Dreiviertel einer salomonischen Friedenszeit. Sollte man Israel nicht Mut machen, auf so ein Angebot einzugehen?
Während ich diese Zeilen schreibe, zählt das jüdische Volk die Tage zwischen Pessach und Schawuot in der so genannten „Omer-Zählung“ (3.Mose 23,15). Mit Israel sind wir unterwegs, von der Befreiung aus der Sklaverei zur Offenbarung Gottes am Sinai. Oder als Christen: Von Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn auf die Ausgießung des Heiligen Geistes zu. Die rabbinischen Lehrer betonen, dass es fatal wäre, wenn wir bei dem stehen blieben, was Gott im Exodus gewirkt hat. Wir müssen den Sinai anstreben. Dass dieser Weg von Konflikten begleitet ist – mit anderen Völkern, innerhalb des Volks und der Familien und mit sich selbst – daraus macht die Bibel kein Hehl. Entscheidend ist, wie wir diese Konflikte managen!
Übrigens: Die Babylonier, die Assyrer und die Römer hatten nicht nur vor, das jüdische Volk auszulöschen. Sie haben das sogar sehr erfolgreich vorangetrieben. Auch daran erinnert man sich dieser Tagen in Israel. Trotz alledem lebt das Volk Israel bis heute.
In dieser Zuversicht, die all unseren realitätsnahen Pessimismus überstimmen sollte, grüße ich Sie herzlich,
Johannes Gerloff