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EDITORIAL FÜR IDEA-SPEKTRUM
Liebe Leserinnen und Leser!
„Es ist Zeit, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen.“ Dieser Satz von US-Präsident Donald J. Trump hat die Welt in Aufruhr versetzt. Länder wie Tschechien und die Philippinen äußerten spontan ihre Zustimmung. Aber das ging genauso unter, wie die Tatsache, dass aus Moskau auf den Tag genau acht Monate zuvor bereits dasselbe zu hören gewesen war.
Dass Israelis sich freuen, wenn ein amerikanischer Präsident eine Entscheidung akzeptiert, die ihre Regierung am 13. Dezember 1949 gefällt hat, ist selbstverständlich. Obwohl, es sind israelische Journalisten, die Trumps Erklärung als „letzten Nagel im Sarg des Friedensprozesses“ bezeichnen. Andererseits, so sagen sich viele, haben bislang alle US-Präsidenten die Umsetzung des „Jerusalem Embassy Act“, den der Kongress am 23. Oktober 1995 verabschiedet hat, ausgesetzt. Und das hat den Friedensprozess in keiner Weise vorangebracht.
Palästinenser haben keine Möglichkeit zu einer freien Meinungsäußerung, schon gar nicht, wenn sich Europa palästinensischer gebärdet als Arafat es getan hätte. Sollte irgendein Araber in Israel oder gar der Palästinensischen Autonomie unter diesen Umständen laut sagen können, dass der offizielle Status von Jerusalem ein Luxusproblem ist, dessen Betonung angesichts des blutigen „Arabischen Frühling“ nur als Zynismus verstanden werden kann? Ein junger Palästinenser aus Ostjerusalem wagte dieser Tage zu sagen, dass ein Palästinenseraufstand schwelt, weil die Aufständischen dafür gut bezahlt werden. Aber ich kenne diesen jungen Mann seit er klein war. Sein Vater ist ein guter Freund. Und der saß nur frustriert schulterzuckend daneben und schwieg. Vielleicht sollten Schweigen und Schulterzucken der Mehrheit einmal ein ähnliches Gewicht bekommen, wie die wenigen lautstarken Demonstranten und Steinewerfer?
Überhaupt ist das Schweigen um diesen ganzen Vorgang möglicherweise viel bedeutsamer, als das was gesagt wurde – nicht nur von einfachen Leuten, sondern vom mächtigsten Mann der Welt. Trump hat sich bemerkenswert ausdrücklich zum israelisch-palästinensischen Friedensprozess und zur Zweistaatenlösung bekannt. Gleichzeitig hat er kein Wort verloren zur Unteilbarkeit Jerusalems, im auffälligen Gegensatz zu seinen Vorgängern Clinton und Obama. Er hat nichts zur Zukunft der Grenzen, der jüdischen Siedlungen oder der palästinensischen Flüchtlinge gesagt. Dazu kann jeder denken, was er will.
Trumps Jerusalem-Statement trägt all die verhängnisvollen Merkmale der Mehrdeutigkeit so vieler Erklärungen und Dokumente zum Nahostkonflikt. Was sie vor Ort bewirken wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat sie jetzt schon offenbart, wie anti-jüdisch die Mehrheit der Weltöffentlichkeit fühlt.
Mit herzlichem Gruß aus Jerusalem,
Johannes Gerloff