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Liebe Leser,
während der Vorbereitung dieser Ausgabe des Israelreports feierte Israel Purim. Von außen gesehen hat es eher Karnevalscharakter. Das Buch Ester beschreibt den biblischen Hintergrund dieses Festes. Der 13. Tag des Monats Adar wurde per Los – hebräisch „Pur“ – festgelegt als der Tag, an dem alle Juden im persischen Weltreich vernichtet werden sollten (Ester 3,7). Daher der Name „Purim“.
Wo vor zweieinhalb Jahrtausenden Pläne zur Endlösung der Judenfrage geschmiedet wurden, wird heute gefordert, der „Schandfleck Israel“ müsse „von der Landkarte gewischt“, „das Krebsgeschwür ausgeschnitten“ werden. Das Déjà-vu bringt moderne Israelis ins Nachdenken.
Großwesir Haman war aufgefallen: „Es gibt ein Volk, zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern… Ihr Gesetz ist anders als das aller Völker und sie tun nicht nach des Königs Gesetzen“. Dass Juden sich gegen das wehrten, was allgemein gültig schien, sich von anderen Menschen unterschieden und das Gesetz ihrer Väter ernst nahmen, war Haman ein Dorn im Auge. Er kam zu dem Schluss: „Es ziemt dem König nicht, sie gewähren zu lassen. Gefällt es dem König, so lasse er schreiben, dass man sie umbringe“ (Ester 3,8f).
Manche Juden bemühen sich heute mit aller Kraft so zu sein, wie alle anderen Völker. Sie haben sich gesammelt, um nicht mehr abgesondert und anders zu sein. Andere Israelis besinnen sich neu darauf, was sie eigentlich zum Volk werden ließ. Deshalb ist ihnen wichtig, dass Israel eine westlich orientierte Demokratie, gleichzeitig aber auch ein jüdischer Staat ist – so unvereinbar das auch erscheinen mag.
Die Pläne des Judenhassers Haman wurden durch engste Verbindungen zum Machtzentrum zunichte gemacht. Dabei spielte ein einfaches Mädchen, das heute wohl kaum als „First Lady“, eher schon als „Sex-Sklavin“ bezeichnet würde, die entscheidende Rolle. Nicht selten starren wir gebannt auf die Mächtigen der Welt und prangern deren (aus unserer Perspektive viel zu guten!) Beziehungen zum Bösen an. Vielleicht sollten wir stattdessen beten für die Unscheinbaren, durch die Gott abseits aller Medienaufmerksamkeit Entscheidendes wirkt?
Esters Lage war prekär. Eine Laune des Perserkönigs konnte sie das Leben kosten. Wie sollte sie da etwas Sinnvolles leisten? Ihr Cousin Mordechai hatte ihr ermutigend das Messer auf die Brust gesetzt: „Denke nicht, dass du dein Leben errettest, weil du im Palast des Königs bist, du allein von allen Juden. Denn wenn du zu dieser Zeit schweigen wirst, so wird eine Hilfe und Errettung von einem andern Ort her den Juden erstehen, du aber und deines Vaters Haus, ihr werdet umkommen. Und wer weiß, ob du nicht gerade um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?“ Der jungen Frau war klar: Es ging nicht ums Überleben des auserwählten Volkes, sondern um eine einzigartige Chance Stellung zu beziehen. Sie entdeckte Fasten, Gebet und Gemeinschaft neu und stellte sich der Herausforderung: „Komme ich um, so komme ich um“ (Ester 4,13-16).
Das alles ist hoch aktuell. Auch heute sind einfache Menschen gefragt, mutig, eindeutig, erfindungsreich, liebevoll und weise die Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen Gott eröffnet. Vielleicht geht das heute weniger „entgegen dem Gesetz“ als vielmehr „aller Political Correctness zum Trotz“.
Mit herzlichem Schalom bleibe ich in Jerusalem,
Ihr Johannes Gerloff