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Liebe Leser,
der Friedensprozess scheint aufgewacht. Ende Juli haben sich Israelis und Palästinenser wieder öffentlich die Hände geschüttelt. Spätestens seit Clintons Initiative im Jahr 2000 liegen die Parameter klar auf dem Tisch – meinen Diplomaten. Doch selbst gemäßigte Palästinenser und friedensbewegte Israelis haben kaum reelle Meinungsschnittmengen. Und beide sind verschwindende Minderheiten in ihrer jeweiligen Bevölkerung, ohne wirklichen Rückhalt – beobachten Akademiker.
„Niemand hat jemals Geld verloren, wenn er gegen eine Lösung des Nahostkonflikts gewettet hat“, weiß TIME-Kolumnist Fareed Zakaria. Trotzdem unterstützt er die Initiative von US-Außenminister Kerry, weil Israelis die Besatzung satt hätten, die Hamas in einer verzwickten Lage stecke und die USA irgendetwas tun müssten, wenn sie schon nicht Ägypten stabilisieren oder das Blutbad in Syrien stoppen könnten.
Der Apostel Paulus fordert seine Leser auf, politische Anstrengungen ernst zu nehmen, für Politiker zu beten (1. Timotheus 2,1f.) – und engagiertes Gebet schließt Mitdenken ein. Deshalb wage ich ein paar Gesprächsanstöße, deren Ziel das Gebetsanliegen des Paulus ist: „ein ruhiges und stilles Leben“:
Jede Bemühung um eine Endlösung führt zum Krieg. Das zeigt die Geschichte. Zeitdruck ist dabei der ideale Katalysator in Richtung Explosion. – Warum machen wir unseren Politikern nicht Mut zum Konfliktmanagement?! Übrigens: Jede gelungene menschliche Beziehung ist nichts anderes als gutes Konfliktmanagement.
Der „Arabische Frühling“ ist die Bankrotterklärung der Nahostpolitik des Westens im vergangenen Jahrhundert. Die Staatenordnung der Kolonialmächte zerbröselt. Die USA stolpern von einer Niederlage zur nächsten. Nirgends zwischen Hindukusch und Maghreb ist ein Fortschritt in Richtung Demokratie erkennbar. Das Eingeständnis, versagt zu haben, ist schwer – aber der einzige Schritt in Richtung einer besseren Zukunft.
Verantwortlichkeit ist die Grundlage jeder freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Auch Muslime müssen verstehen, dass sie für ihre Denkweise, Aussagen und Handlungen verantwortlich sind. Keine Mohammed-Karrikatur rechtfertigt auch nur ein einziges der Menschenopfer, die dafür in der islamischen Welt gebracht wurden. Judenhass ist geistlicher Selbstmord. Wir machen uns mitschuldig an dem furchtbaren Blutbad, das Nichtjuden im Orient aneinander anrichten, wenn wir dessen Ursachen verschweigen, „verstehen“ oder gar beschönigen.
Und schließlich: Warum sehen wir das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden im Nahen Osten eigentlich nur als Problem? Der Konflikt zwischen Israelis und Arabern zeichnet sich im regionalen wie weltweiten Vergleich vor allem dadurch aus, wie wenig blutig er ist. Vergleicht man den Lebensstandard der Palästinenser, ihren Bildungsstandard, ihre Entwicklungsmöglichkeiten und ihre weltweite Vernetzung mit anderen arabischen Gesellschaften, sind sie eine Erfolgsstory. Wenn mehr als 80 Prozent der arabischen Jugendlichen, die in Israel Zivildienst geleistet haben, kein Problem damit haben, in einem jüdischen Staat zu leben, kann man das als „Zerstörung ihrer palästinensischen Identität“ bezeichnen. Man kann es aber auch als erfolgreiche Integration darstellen und fragen, was wir im Westen für unser Konfliktmanagement daraus lernen könnten.
Mit herzlichem Gruß,
Johannes Gerloff