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Im Unterschied zum siebenarmigen Leuchter, dem Staatswappen Israels, ist der sechszackige Stern kein biblisches Zeichen. Erst im Laufe der Geschichte ist der so genannte Davidstern zu einem jüdischen Zeichen geworden. Ursprünglich war er es nicht, darin sind sich jüdische Quellen einig.
Über die Aufnahme des Sterns in die Fahne des Staates Israel wurde kontrovers diskutiert. Die Instruktionen des vorläufigen Rates des Staates Israel vom 28. Oktober 1948 beschreiben, wie die Fahne auszusehen habe. In der Detailliertheit ihrer Anweisungen stehen sie den biblischen Anweisungen zur Herstellung der Tempelgeräte, darunter die „Menora“, in nichts nach: „Die Fahne des Staates Israel ist 220 cm lang und 160 cm breit. Der Hintergrund ist weiß, darauf befinden sich zwei himmelblaue 25 cm breite Streifen über die ganze Breite der Fahne, 15 cm vom oberen und 15 cm vom unteren Rand entfernt. Weiterhin befindet sich auf dem weißen Hintergrund zwischen den beiden himmelblauen Streifen und in gleicher Entfernung von beiden Streifen der Davidstern, aus sechs himmelblauen Streifen 5,5 cm breit, die zwei Dreiecke bilden und deren Basis parallel mit den horizontalen Streifen verläuft.“
Professor Gershom Scholem, Experte auf dem Gebiet jüdischer Mystik und Mitgründer der Hebräischen Universität in Jerusalem, hat sich ausführlich mit dem Symbol des Davidsternes befasst. Kurz nachdem entschieden worden war, dass der sechszackige Stern auf der Nationalflagge Israels erscheinen werde, veröffentlichte er einen Artikel. Darin schreibt er: „Das Hexagramm ist kein jüdisches Symbol, und schon gar nicht ‚das Symbol des Judentums.‘“ Diese Aussage unterstreicht die Tatsache, dass Simon Philip de Vries in seinem Buch „Jüdische Riten und Symbole“ den Davidstern kein einziges Mal erwähnt. Der holländisch-jüdische Gelehrte und Rabbiner wurde 1944 im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet.
Wie der fünfzackige Stern, das Pentagramm, wurde auch der sechszackige Stern, der Davidstern oder das Hexagramm, als Dekoration in vielen Teilen der Welt benutzt, sei das in Peru, Ägypten, China oder Japan. Als Dekoration eines jüdischen Objekts ist dieses Symbol erstmals auf einem Siegel von Josua Ben Assajahu um etwa 600 vor Christus nachgewiesen. Im zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus taucht das Hexagramm dann auf einem Fries der Synagoge in Kapernaum auf, neben Granatäpfeln und Trauben. Auch in christlichen Kirchen wurde der sechszackige Stern als Dekoration verwendet. Ein wunderschönes Beispiel ist ein marmorner Bischofssitz aus dem 13. Jahrhundert in der Kathedrale von Anagni in Italien.
Ganz unterschiedliche Gruppen haben dem Pentagramm und dem Hexagramm mystische oder gar magische Kräfte zugeschrieben. „Auf diesem Gebiet bestand stets eine starke Wechselwirkung zwischen Juden und Nichtjuden, denn nichts ist internationaler als die Magie. Magische Zeichen und Figuren wandern von einem Volk zum anderen“, schreibt Gershom Scholem. In einer anderen Studie mit dem Titel „Jüdische Magie und Aberglaube“ zitiert Josua Trachtenberg den jüdischen Komponisten Karl Goldmark: „Zivilisierte Menschen verlieren schnell ihre Religion, aber selten ihren Aberglauben.“ Trachtenberg schreibt, dass schon die Pythagoräer dem sechs- und fünfzackigen Stern starke mystische Wirkung zugeschrieben hätten. Sie wurden auf hinduistischen Talismanen entdeckt. Später erschienen sie auf arabischen Amuletten und magischen christlichen Texten aus dem Mittelalter. Auch die Alchimisten haben das Symbol gerne gebraucht. Ein Dreieck symbolisierte das Wasser, das andere Feuer.
In arabischen Quellen sind beide Sterne mit anderen orientalischen Ornamenten unter der Bezeichnung „Siegel Salomos“ erschienen. Das hängt wahrscheinlich mit einer uralten Legende über Salomos Herrschaft über die Geister zusammen. Darin wird ein Siegelring erwähnt, auf dem ursprünglich nicht ein magisches Zeichen, sondern der Name Gottes stand. Die Kraft dieses Ringes wird in einem griechisch geschriebenen Pseudoepigraf beschrieben, dem Gesetz Salomos, den Professor Scholem als jüdisch-christliche Magie bezeichnet. Ob der Name Siegel Salomos ursprünglich von Juden oder Christen stammt, von denen ihn die Araber dann übernommen haben, lässt sich nicht mehr feststellen.
Der Begriff „Schild Davids“, hebräisch „Magen David“, existiert in alten jüdischen Handschriften, allerdings ohne Verbindung zu einem geometrischen Zeichen. Die legendäre Wirkung des Schildes von König David wird in der Erklärung einer geheimen Sternenschrift beschrieben und zwar im Zusammenhang mit einem Buchstaben, der wie ein „V“ mit einem Ring an jedem Ende aussieht. Seit dem 13. Jahrhundert erscheint dann der Name „Schild Davids“ anstelle der Bezeichnung „Siegel Salomos“ für das Hexagramm in jüdischen Schriften der Kabbalisten und in Sammlungen magischer Vorschriften und Amuletten, die gegen den bösen Blick, böse Geister, Schwert und Gefängnis schützen sollten.
In der Mitte der Dreiecke des Sternes stand oft der Name Gottes, begleitet von Engelnamen. Als zusätzlicher Schutz wurden solche Zeichen mit Engelnamen am Rande der Texte von Mesusot geschrieben. Gegen das Schreiben in den Text selbst wendet sich der jüdische Gelehrte Maimonides. Er kritisiert die Volkspraxis, aus der Verkündigung des Gottesnamens ein Amulett zu machen. In der christlichen Gesellschaft diente der fünfzackige Stern in Deutschland als so genannter Drudenfuß als magisches Zeichen. Er diente als Schutz vor Stalleingängen und Babykrippen.
Auf den Amuletten des Rabbi Jonathan Eibenschütz aus Hamburg befindet sich als einziges Symbol der sechszackige Stern, in dessen Mitte geschrieben steht „Siegel“, „Siegel des Gottes Israels“ oder „Siegel MBD“. Seine Kritiker legten die Abkürzung als „Siegel des Messias Ben David“ aus und beschuldigten ihn, ein Nachfolger von Zwi Schabtai aus Smyrna zu sein, einer sehr kontroversen messianischen Figur des Judentums im 17. Jahrhundert. So bekam das Hexagramm eine messianische Bedeutung.
Eine besondere Rolle spielte der Stern in der Geschichte des böhmischen Judentums. Im Jahre 1357 verlieh Kaiser Karl IV. den Juden in Prag das Privileg einer eigenen Fahne. Möglicherweise schenkte er ihnen sogar die Fahne selbst, auf der das Symbol des Davidsterns abgebildet war. Seither sollen die Prager Juden diese Fahne als Symbol der jüdischen Gemeinde benutzt und ihre Herrscher, wenn diese Prag besuchten, am Tore des Ghettos damit begrüßt haben. Sie waren direkte Untertanen des Herrschers, durften nur in bestimmten Stadtteilen wohnen und wurden im Laufe der Geschichte immer wieder aus Prag und anderen Teilen Böhmens vertrieben. Aus dem Jahre 1598 ist eine gnädige Erlaubnis von Kaiser Rudolf II. an den Juden Mordechai Meisel erhalten, in der Neuen Synagoge ein Duplikat dieser jüdischen Fahne auszustellen.
Der Davidstern ist auf einem der ältesten jüdischen Bücher abgebildet, das in Prag 1512 gedruckt wurde. In einem anderen Buch, 1540 in Prag gedruckt, hält ein Cherubiner das Davidsschild. Ein Hexagramm befindet sich auch zusammen mit einer Gans am Grabstein des jüdischen Prager Gelehrten David Gans. Er hat kurz vor seinem Tod 1612 ein Buch mit dem Titel „Das Davidsschild“ veröffentlicht. Etwa ab dem Jahre 1600 erscheint das Zeichen auf Siegeln von jüdischen Vereinen, Privatpersonen und in Synagogen. Auf dem Turm des jüdischen Rathauses in Prag befindet sich der Davidstern mit einem Hut in der Mitte. Der Überlieferung zufolge soll dies ein Schwedenhut sein, als Erinnerung an die Hilfe der Prager Juden im Dreißigjährigen Krieg bei der Verteidigung von Prag gegen die Schweden.
Ausgehend von Prag verbreitete sich der Stern als Symbol der jüdischen Gemeinde in weitere Teile Europas. In Wien blieb ein Grenzstein zwischen dem jüdischen und dem christlichen Viertel erhalten, auf dem sich zum ersten Mal die zwei Zeichen – Kreuz und Davidstern – gegenüber stehen. Auf einem Farbstich der Altneusynagoge in Prag, den Vilem Kandler etwa im Jahre 1840 hergestellt hat, ist auf der jüdischen Fahne ein fünfzackiger Stern zu sehen. Offensichtlich hat sich die Bezeichnung „Davidschild“ für den sechszackigen Stern erst im 19. Jahrhundert konsolidiert. Dazu schreibt Gershom Scholem: „Gerade in den Tagen seiner größten Verbreitung im 19. Jahrhunderte diente das Davidschild als sinnleeres Symbol eines Judentums, das selber mehr und mehr der Sinnlosigkeit verfiel.“
1897 hat die zionistische Bewegung das Schild Davids in ihre Fahne aufgenommen, deren Vorlage der jüdische Gebetsschal war. Angeblich soll den Zionisten am Hexagramm gefallen haben, dass es ein Symbol des Judentums war, das keine religiösen Assoziationen weckte. Dieser Annahme widerspricht allerdings, dass sie sich ausgerechnet den Gebetsschal als Vorbild für die Flagge wählten. Außerdem spielte der Davidstern gerade in der Volksreligion eine Rolle, auch wenn es sich dabei weniger um Glauben als um Aberglauben handelte. Es scheint allgemein menschlich zu sein, anstelle der Kraft Gottes, die sich nach Aussage der Bibel im Leben Davids offenbart hat, lieber die magische Wirkung seines Schildes zu sehen. Aber das Davidsschild hat jüdische Menschen, die bei seinem Anblick einen Schutz wähnten, mehr als einmal im Stich gelassen.
Im finstersten Kapitel ihrer Geschichte wurden die Juden, die nach Meinung Hitlers für die Vernichtung bestimmt waren, mit dem sechszackigen Stern gekennzeichnet. Polen, das 1939 als erstes Land von der deutschen Wehrmacht besetzt wurde, diente als Testgebiet. Am 18. Oktober 1939 wurde in Krakau ein Erlass veröffentlicht, dem zufolge alle Juden ab dem zwölften Lebensjahr ein sichtbares Zeichen tragen mussten. Als Jude galt, „wer der mosaischen Glaubensgemeinschaft angehört oder angehört hat, jeder, dessen Vater oder Mutter der mosaischen Glaubensgemeinschaft angehört oder angehört hat“. Als Zeichen diente ein weißes Band mit blauem, zionistischem Stern. Für die Produktion und Verteilung der Bänder wurde der jüdische Rat verantwortlich gemacht. Am 1. September 1941 folgte ein polizeilicher Erlass von Reinhard Heydrich. Darin wurde bestimmt, dass bereits sechsjährige jüdische Kinder einen gelben sechszackigen Stern mit schwarzem Rand, in dessen Mitte schwarz „Jude“ geschrieben steht, tragen müssen. Auch die Eingänge zu den Ghettos wurden teilweise mit Davidsternen gekennzeichnet.
Aber gerade dieser Leidensweg hat Professor Gershom Scholem mit dem ursprünglich magischen Symbol versöhnt. So schrieb er am Ende seiner Abhandlung: „Das Zeichen, das in unseren eigenen Tagen durch Leid und Grauen geheiligt worden ist, ist würdig geworden, den Weg zum Leben und zum Aufbau zu erleuchten. Dem Aufstieg ging der Weg in den Abgrund voraus, und wo es die letzte Erniedrigung erfuhr, gewann es seine Größe.“