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„Gerade haben sie da vorne einen erschossen.“ Der Blechner in einer alten Werkstatt in A-Ram, einem Dorf nördlich von Jerusalem zieht an seiner Zigarette. Für den Palästinenser Suleiman Abu-Ralija aus Jericho gibt es keine Hoffnung mehr. Er ist tot. Warum er am 3. August der Aufforderung der Soldaten, anzuhalten, keine Folge geleistet hat, wird sich erst nach einiger Zeit klären.
Auch für Oleg Shaichat aus Nazareth-Illit kommt jeder Hoffnungsschimmer zu spät. Der junge israelische Wehrdienstpflichtige war in der vorletzten Juliwoche entführt worden. Wenige Tage später fand ein Fährtensucher der Beduinen seine Leiche in der Nähe des galiläischen Dorfes Kafr Kana. Auch in diesem Falle wird die Polizei höchstens durch längere Ermittlungen die genauen Todesumstände klären können.
Dass die offiziellen politischen Vertreter Israels und der Palästinenser wieder miteinander reden, ist tatsächlich ein Hoffnungsschimmer in der politischen Arena. Eifrig reisen Außen- und Sicherheitsexperten der USA in den Nahen Osten, um die Umsetzung der „Road Map“ sicherzustellen. Schrittweise sollen sich die Konfliktparteien einander annähern, was eigentlich eine Neuauflage der alten Idee von Oslo war. Neu ist lediglich, dass drei weitere Jahre eines blutigen Konflikts hinter uns liegen.
Für die einfachen Menschen auf den Straßen von Jerusalem und Ramalla, Tel Aviv und Hebron, Rishon LeZion und Kalkilja ist das alles allerdings kaum atemberaubend. Hier bestimmen die Fragen des täglichen Überlebens, die Wirtschaftslage, die Kriminalität, Drogenprobleme, Korruption in der Regierung, Gewalt in den Familien, oder auch, ob die UEFA endlich wieder Heimspiele in Israel genehmigt, das Tagesgespräch.
Natürlich ist es in der palästinensischen Gesellschaft spürbar, wenn Zehntausende von Arbeitern tagsüber nach Israel einreisen dürfen; wenn Straßensperren abgebaut werden und Besuche in benachbarten Städten bei Freunden und Verwandten einfacher werden. Aber jeder ist sich darüber im Klaren, dass diese Erleichterungen von einem Tag auf den andern Schnee von gestern sein können. Und die Gesamtlage hat sich nicht verändert: Das (aus palästinensischer Sicht) übermächtige Israel ist allgegenwärtig.
Zudem verändert die politische Großwetterlage im Leben des Einzelnen kaum etwas im Blick auf die Beziehungen zur anderen Seite. Viele Israelis kennen kaum einen Palästinenser persönlich – und viele Palästinenser erleben ihre israelischen Nachbarn nur in Uniform. Dass Tausende von palästinensischen Bauarbeitern täglich beim Bau und Unterhalt von jüdischen Siedlungen den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen und selbst während der heißesten Zeiten der Intifada Freunde unter den Siedlern hatten, sollte man als Journalist nicht erwähnen. Schließlich will niemand die Menschen gefährden, die es wagen, das Miteinander-Reden nicht den Politikern zu überlassen.
Und dann ist da die Lage an Israels Nordgrenze. Als der 16jährige Haviv Dadon am 10. August in Shlomi von einer Granate der Hisbolla-Miliz getötet wurde, war ganz Israel schockiert – erstaunt hat es kaum jemanden. Seit dem Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon im Mai 2000 sind Hunderte von Granaten und Flugabwehrraketen auf Nordisrael gefallen. Bisher sind diesem schwelenden Konflikt 14 Israelis zum Opfer gefallen. 60 Personen wurden verletzt.
Dabei geht es nicht etwa um einen Grenzkonflikt. Die Spur führt über Beirut und Damaskus zu den Drahtziehern in Teheran. Tatsächlich meinen israelische Sicherheitsexperten bei 15 Anschlägen in Israel in den letzten Wochen, die 50 Todesopfer und 216 Verletzte gefordert haben, die Urheberschaft des Iran nachweisen zu können.
Der Nahostkonflikt ist weder eine Grenzstreitigkeit zwischen Israel und dem Libanon, noch eine lokale ethnische Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern. Solange es islamische Staaten gibt, die an die Anerkennung eines jüdischen Staates im muslimisch dominierten Nahen Osten Bedingungen knüpfen, wird jeder Hoffnungsschimmer nur zu leicht zum zündenden Funken im Pulverfass Nahost.