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Bislang hatte sich der Autor von Psalm 2 auf das immanente Geschehen beschränkt. Er hatte das Geschehen in der Völkerwelt auf eine Art und Weise beschrieben, die – mit etwas Verständnis für biblisches Gedankengut – jeder Zeitungsleser, Radiohörer oder Fernsehzuschauer ohne Weiteres nachvollziehen kann. Jetzt zieht er endgültig den Vorhang zur unsichtbaren Welt zurück. Ab Vers 4 eröffnet er eine Perspektive, die das ganze Szenario aus der Sicht des Schöpfers betrachtet. Luther beobachtet: „Dies alles geht so verborgen zu, daß du es nicht erkennen kannst, wenn du nicht im Himmel bist.“[1]
„Der im Himmel sitzt lacht. Der Herr spottet über sie“ (Vers 4). Für die tobenden Volksmassen, die sich gegen seine Bestimmungen auflehnen, die göttlichen Ordnungen außer Kraft setzen und das Wort Gottes für irrelevant erklären wollen, hat der Herr nichts übrig als Spott.
Gott verhöhnt all die nichtjüdischen Völker (Ps 59,9), er verlacht den Bösen, „denn er sieht, dass sein Tag kommt“ (Ps 37,13). Rabbi Samson Raphael Hirsch[2] meint, dieses Lachen sei „nicht eigentlich ein Ausdruck der Freude“, sondern „ein höhnendes, geringschätzendes Lachen“. In der Bibel ist Lachen „ausnahmslos ein ironisches Lachen, ein Lachen, das eine gewisse Negierung, Verurteilung des das Lachen hervorgerufenen Gegenstandes in sich trägt“. Es wird „nur durch die Wahrnehmung von etwas Lächerlichem hervorgerufen“.[3]
Einst hatten Abraham und Sarah gelacht, als die göttlichen Boten behauptet hatten, der hundertjährige Mann und die neunzigjähre Frau würden noch ein Kind bekommen (Gen 17,17; 18,12). Zu groß, zu lächerlich war ihnen der Kontrast zwischen dem erfahrbar Menschenmöglichen und dem, was ihnen da gesagt wurde, erschienen. Hirsch erkennt: „Der ganze Anfang des jüdischen Volkes ist lächerlich, seine Geschichte, seine Erwartungen, seine Hoffnungen, sein von diesen Hoffnungen getragenes, ganzes Leben erscheint dem nur die gewöhnlichen, natürlichen Kausalitätsverhältnisse berechnenden Verstande als die ungeheuerlichste, lächerlichste Prätension.“ Deshalb bekommt der Sohn von Abraham und Sarah auch den Namen „Jitzchak“, „man lacht“ (Gen 21,3.6).[4]
Doch so lächerlich den Völkern Gottes Handeln mit Israel auch erscheinen mag, der Unterschied zwischen der Aufregung und Anstrengung der Völkerwelt und dem Wesen und Sein des Schöpfers ist unendlich, unfassbar, unvorstellbar größer. Und im Lachen und Spott Gottes liegen Verachtung und Geringschätzung.[5] Die Könige haben überhaupt keine Möglichkeit, etwas gegen den Willen des Herrn zu tun.[6]
So lächerlich dem nüchternen, bodenständigen, vernünftigen Zeitgenossen auch die Geschichte, der Weg und die Hoffnung des jüdischen Volkes erscheinen mag, aus Gottes Sicht ist das Denken und Planen der Völker und ihrer Vertreter alles andere als sachlich, realitätsnah oder rational. Es ist ganz einfach lächerlich. Treffend formuliert Luther: „O wie große Stärke des Glaubens wird in diesen Worten erfordert! Denn wer hat in den Sinn nehmen können, daß Gott lache,… da es uns vorkommt, als ob wir, beide von Gott und von Menschen, verlacht und untertreten werden.“[7]
Lachen bringt oft ein Gefühl der Sicherheit zum Ausdruck, das Bewusstsein der Überlegenheit im Gegensatz zur Furcht.[8] Gottes Lachen zeigt: Er ist derjenige, der diese Welt geschaffen hat. Er bringt die Völker in Unruhe und lässt sie wandern. Er setzt Könige, Präsidenten, Premierminister und Fürsten ein und er setzt sie auch wieder ab. Der Herr sitzt im Himmel. Er läuft nicht etwa aufgeregt hin und her, reibt sich verzweifelt die Hände, weil ihm das Ruder der Weltgeschichte entglitten wäre. Er sitzt da und lacht, weil er alles – wirklich alles! – fest im Griff hat.
Wenn der lebendige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, derjenige, der im Himmel sitzt und lacht, tatsächlich mein Vater ist, dann habe ich überhaupt keinen Grund, beunruhigt zu sein. Kein Migrations-Tsunami, kein Flächenbrand im Nahen Osten, keine noch so unsinnige Entscheidung großmäuliger Politiker, nicht einmal der Nachweis hinterhältiger Machenschaften der Mächtigen oder Verdachtsmomente auf Verderben bringende Konspirationen können mich da aus der Ruhe bringen. Der Vater lacht. Die Heiden mögen toben. Der im Himmel sitzt hat alles unter Kontrolle.
Der Herr lacht und spottet. Wenn in der Bibel zweimal das Gleiche gesagt wird, zeigt das eine große Gewissheit an. Zweimal träumte der ägyptische Pharao, was bedeutete, dass Gott das, was er sich vorgenommen hatte, „gewiss und eilends“ tun werde (Gen 41,32).
Rabbi David Ben Yosef Kimchi (1160-1235)[9] beobachtet, dass der Psalmbeter die Gegenwartsform – „er lacht“, „er spottet“, „er redet“ – verwendet, um das Handeln Gottes zu beschreiben. Er verlegt dieses Szenario weder in die Vergangenheit, die sich interessiert analysieren lässt, aber letztendlich irrelevant bleibt. Er spricht auch nicht von einer Zukunft, die im Sinne des Sankt Nimmerlein nie eintreffen wird. Die Wortwahl des prophetischen Psalmisten macht jedes märchenhafte „Es war einmal…“ gleichermaßen unmöglich, wie die Phantastereien eines Science Fiction. Er spricht im Präsens – auch wenn das konkret historisch verankert einmal für die Zeitgenossen des Königs David oder für die ersten Christen und ihre Gegner in Jerusalem galt, für uns heute relevant sein oder ein künftiges weltumfassendes Szenario beschreiben könnte.
Fußnoten:
[1] Johann Georg Walch (hg.), Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Vierter Band. Auslegung des Alten Testaments (Fortsetzung). Auslegung über die Psalmen (Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms, 2. Auflage, 1880-1910), 264.
[2] Hirsch (1808-1888) stammte aus Hamburg und diente als Oberrabbiner in Oldenburg, Aurich, Osnabrück, in Mähren und Österreichisch-Schlesien. Als profilierter Vertreter der Orthodoxie war er ein ausgesprochener Gegner des Reform- und konservativen Judentums. Hirsch legte großen Wert auf das Studium der gesamten Heiligen Schrift. Ab 1851 war er Rabbiner der separatistischen orthodoxen „Israelitischen Religions-Gesellschaft“, engagierte sich im Bildungsbereich und veröffentlichte das Monatsmagazin „Jeschurun“. Hirsch hatte eine große Liebe zum Land Israel, war gleichzeitig aber ein Gegner der proto-zionistischen Aktivitäten von Zvi Hirsch Kalischer. Er wird als einer der Gründungsväter der neo-orthodoxen Bewegung gesehen.
[3] Samson Raphael Hirsch, Die Fünf Bücher der Tora mit den Haftarot, übersetzt und erläutert von Dr. Mendel Hirsch, Erster Teil: Bereschit (Basel: Verlag Morascha, 2008), 317f.
[4] Samson Raphael Hirsch, Die Fünf Bücher der Tora mit den Haftarot, übersetzt und erläutert von Dr. Mendel Hirsch, Erster Teil: Bereschit (Basel: Verlag Morascha, 2008), 318.
[5] עמוס חכם, ספר תהלים, ספרים ג-ה, מזמורים עג-קן (ירושלים: הוצאת מוסד הרב קוק, הדפסה שישית תש”ן/1990), ז.
[6] עמוס חכם, ספר תהלים, ספרים ג-ה, מזמורים עג-קן (ירושלים: הוצאת מוסד הרב קוק, הדפסה שישית תש”ן/1990), ז.
[7] Johann Georg Walch (hg.), Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Vierter Band. Auslegung des Alten Testaments (Fortsetzung). Auslegung über die Psalmen (Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms, 2. Auflage, 1880-1910), 264.
[8] August Dächsel, Die Lehrbücher Hiob, Psalter, Sprüche, Prediger und Hohelied Salomonis, Das Alte Testament mit in den Text eingeschalteter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen III (Leipzig: Verlag von Justus Naumann, 2. Auflage 1876), 133.
[9] Der so genannte „Radak“, war der Erste unter den großen Schriftauslegern und Grammatikern der hebräischen Sprache. Er wurde im südfranzösischen Narbonne geboren. Sein Vater starb früh, so dass David von seinem Bruder Mosche Kimchi erzogen wurde. Radak erlaubte philosophische Studien nur denjenigen, deren Glaube an Gott und Furcht des Himmels gefestigt sind. Öffentlich setzte er sich mit Christen auseinander und griff vor allem deren allegorische Schriftauslegung und die theologische Behauptung an, das „wahre Israel“ zu sein.